An den Rändern der Zeit (German Edition)
er
abprallen und zu ihr zurückflattern würde, aber nein, durch einen winzigen
Spalt in ihrer Blockade ließ sie ihn hinein, denn sie sah darin ein weiteres
Lockmittel, um ihren Feind, der in der Leitung saß und sie belauschte, so
sicher wie das Amen in der Kirche, dazu zu bringen endlich einzugreifen.
(Komm schon … komm schon … ich bin verwundbar!)
*
Auch im Amt waren die Computer zum Teil veraltet.
Immer noch. Manche Dinge änderten sich eben nie. Eric hatte sich in eine Nische
zurückgezogen und arbeitete an dem Uraltrechner, denn für seine Zwecke war es
beinahe egal, wo er seine Zufallsscheibe einspeiste.
Er grinste breit über B.C.s Anstrengungen. Nein, er
ließ sich nicht provozieren. Obwohl sie es gar nicht ungeschickt anstellte. Um
ein Haar wäre es doch mit ihm durchgegangen; doch ihre kleine Freundin hätte
einen Suizidbefehl oder ähnliches wohl augenblicklich eingefroren. Sollten ihre
empathischen Fähigkeiten dazu ausreichen, hieß das.
Das hätte ich B.C. gar nicht zugetraut, dass sie
Kontakt zu ihrer Sippe aufnimmt. Sie ist doch die absolute Einzelgängerin.
Er konnte diese „Cathy“ nicht recht einschätzen und
versuchte ein Bild von ihr auf den Monitor zu kriegen.
Bitte warten … processing … hieß es karg.
Wenn sie stark genug war, um Ping-Pong zu spielen,
dann musste er sich in Acht nehmen; nur sehr wenige Empathen besaßen diese
Fähigkeit. Sein Grinsen fror ein, als er sich die Folgen vorstellte;
zugleich stellte er fest, dass ihn genau das von seinem wahren Ziel und von
seiner Konzentration ablenkte.
Und nicht nur das. Was ihn außerdem noch sehr störte,
war die spürbare Hektik und Nervosität im Amt. Die verschachtelten Nischen und
Räume boten nirgends vollkommene Abgeschlossenheit, und alle Amtmänner und
Amtfrauen schrien einander an, als seien sie samt und sonders taub. Sich Gehör
zu verschaffen, als er um eine dieser Nischen ersuchte, war auch schwer
gewesen, fiel ihm ein. Er hatte extrem laut und deutlich sprechen müssen … und
das Amtsfräulein, das ihn bang angeschaut hatte, schien ihm die Worte eher von
den Lippen abzulesen denn sie zu hören …
Eric schrak hoch, als ein synthetisches Klingeln
triumphierend ankündigte, dass der Rechner in den Datenbanken endlich fündig
geworden war.
Ein Bild von „Cathy“.
Sekundenlang starrte er es an und schloss dann
schaudernd die Augen. Es handelte sich um eine zwei Jahre alte Aktendatei
bezüglich des BIZARREN ZIRKUS. Musste ein Unternehmen sein, das in den Vororten
herumzog – und dieser Zirkus hatte Casimiria (so schien sie sich meistens zu
nennen) als eine seiner Attraktionen im Programm gehabt.
Himmel! Er zwang sich, wieder hinzuschauen. Ja,
ganz zweifellos bizarr. Einer unserer fundamentalen Fehlgriffe … Seinem
Sinn für Ästhetik war dieser Anblick absolut zuwider, und er hätte die
Falschmeldung am unteren Bildschirmrand gerne geglaubt. Kündigung durch Tod.
Aber dem war nicht so – er hörte ja jetzt gerade durch den Kristall, der in
sein Ohr eingestöpselt war, das warme Flüstern dieser Missgeburt. HUH! Da war
ihm B.C. viel lieber – sie verglich er gerne mit einem Raubvogel, der dunkle
Schwingen besaß … oder auch mit einem schwarzen Panther.
Sie ist uns gut gelungen. Casimiria hingegen hätte
von ihrem Leid erlöst werden müssen. Stattdessen ist es ihr offenbar gelungen,
aus dem Labor zu fliehen und unterzutauchen!
Widerstrebend machte er sich klar, dass das absurde
Geschöpf zweifellos weniger Schaden angerichtet hatte als die von ihm geliebte
B.C.
Der Computer brachte urplötzlich ein schwaches
Phantombild von ihr, von seinem dunklen Raubtier, und er stellte fest, dass sie
ihre Sonnenbrille sogar im Innern ihres Schlupfwinkels trug. Die Kraft
bewahrend. Bis in die kleinsten Verästelungen hinein bist du klug, B.C. Zu
klug.
*
Ich habe ihn nur ein- oder zweimal flüchtig
gesehen, damals. Ich glaube nicht, dass er sich an mich erinnert. Casimirias Stimme war nur ein schwaches melodiöses Zittern.
Sei sicher, dass er dich inzwischen kennt. Bestimmt
hat er sämtliche Datenbanken nach dir durchforstet.
B.C. fragte sich, ob ihre kleine Cathy eine solche
Hiobsbotschaft überhaupt verkraften konnte – sie lebte so behütet und
abgeschirmt, musste nicht den rauen täglichen Überlebenskampf um Chips bestehen
wie sie. Aber Cathys Stärke war von anderer Art, das wusste sie auch. Und dann: Mir sieht niemand so leicht an, woher ich stamme. So lange ich die Brille
nicht abnehme.
Weitere Kostenlose Bücher