An und für dich
ein Mädchen aus der Garderobe mit einem Paar Schuhe in der Hand atemlos auf sie zu.
»Wollt ihr mich verarschen?« Gregs Blick wanderte von den goldenen Peep-Toe-Stilettos zu Roisin und wieder zu den Schuhen.
»Wir haben im Moment nichts anderes, Greg.« Sie biss sich auf die Lippe. »Ist genau deine Größe. Und man sieht sie hinterher nicht, versprochen.«
Ein junger Mann pfiff anzüglich.
»Ich weiß, das ist jetzt nicht ideal. Aber wir haben nur noch zehn Minuten, dann ist das Licht weg. Bitte …« Roisin legte ihm die Hand auf den Arm. »Bitte?«
Greg schüttelte ihre Hand ab. »Nimm deine Pfoten weg, du dämliche Lesbe!«, schrie er.
Schlagartig war es totenstill am Set.
»Mit Colin Farrell würdest du so was nicht abziehen.« Roisin niederzustarren war nicht schwer. Sie war mindestens fünf Zentimeter kleiner als er.
»Der ist einsachtundsiebzig«, antwortete Roisin ruhig, »da bräuchte ich das gar nicht.«
»Der ist höchstens einsfünfundsiebzig, wenn ihr mich fragt«, sagte Damo.
Greg drehte sich zu ihm herum. »Dich fragt aber keiner! Fick dich!« Er wandte sich an die Crew, die Statisten und die Fans. »Fickt euch doch alle!«, schrie er.
Dann ging er. Er lief am Generator und am Catering-Truck vorbei. Die Menge klatschte kurz, als er durch die Absperrung kam.
Eine Frau in einer pinkfarbenen Daunenjacke hielt ihm Stift und Papier für ein Autogramm hin, aber Greg ging weiter. Er hielt den Atem an und wartete darauf, dass jemand »Schnitt!« rief. Es blieb jedoch still.
Sie hatten Vorspeise, Hauptgang, Nachtisch und eine Gesamtlänge von höchstens vier Stunden abgemacht, aber Saffy wünschte sich jetzt schon, sie hätte Doug, den Typen aus der Küche, auf drei Stunden heruntergehandelt. Sie war davon ausgegangen, sie würden einfach im 365 bleiben, er schob sie jedoch hinaus in die Dawson Street.
»Für den ersten Gang würde ich dich am liebsten ins Vertigo auf dem Dach des Banyan Tree Hotels in Bangkok ausführen«, sagte er. »Schnecken mit gerösteten Haselnüssen und Koriander-Butter. Und von da oben hat man eine Aussicht, da geht einem das Herz auf.« Er grinste. »Ich gehe mal davon aus, du hast eins.«
»Ich hoffe, du kannst besser surfen, als du flirtest.« Saffy verdrehte die Augen. »Falls nicht, endest du bestimmt bald als Haifutter.«
Doug ließ sich davon nicht beeindrucken. »Das Hauptgericht würden wir dann bei Tetsuya in Sydney essen. Gegrilltes Geflügel mit Foie gras und Gobowurzeln, das ist das, was man hier als Kletten bezeichnet …«
Sie kamen am Sony-Shop in der Grafton Street vorbei. Er redete immer weiter, aber Saffy hörte nicht mehr zu. Sie starrte Greg an. Sein Gesicht war auf jedem Bildschirm im Schaufenster. Eine Nachrichtensprecherin mit strenger Miene und einem glänzenden, schwarzen Haarhelm sprach ernst in die Kamera. Greg könnte tot sein, dachte Saffy plötzlich. Er könnte bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen sein, und sie würde als Letzte davon erfahren.
Sie erwartete eine gewisse Traurigkeit, fühlte sich aber stattdessen nur verwirrt und irgendwie taub. Es war seine Schuld, dass sie mit diesem Idioten essen gehen musste. Die Kreditkarte gehörte zu ihrem gemeinsamen Konto, und sie nahm an, dass Greg den Rahmen komplett ausgeschöpft hatte und sie deshalb nicht damit hatte bezahlen können. Ansonsten hätte sie jetzt zu Hause gesessen, die Nachrichten geguckt und gewusst, ob er tot war.
Sie konzentrierte sich wieder auf Doug. »… Dessert«, sagte er gerade. »Immer diese Entscheidungen! Okay, ich würde Los Caracoles in Barcelona nehmen. Die beste Crema Catalana der Welt. Nach so einem Menü würdest du mir aus der Hand fressen.« An jedem Satzende ging sein Tonfall etwas in die Höhe, sodass es immer wie eine Frage klang. »Aus der Hand fressen?«
»Ich hoffe bloß, du redest nicht mit vollem Mund«, sagte Saffy.
»Kommt drauf an, womit er voll ist.« Er lächelte sie wieder so großspurig an. Das würden wohl die vier längsten Stunden ihres Lebens werden.
Das La Boheme lag in einer Nebenstraße in der Nähe des Trinity College. Auf dem Schild an der Tür stand »geschlossen«. Saffy war schon einmal auf ein Date hier gewesen, mit Ciaran mit den zusammengewachsenen Zehen. Damals war es nur von Kerzen beleuchtet gewesen und hatte viele dunkle Ecken gehabt, aber bei Tageslicht sah es einfach nur schäbig aus. Der Teppich war abgetreten. Die Samtvorhänge staubig. Die Tische waren ohne die gestärkten Tischdecken darauf nur noch
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