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Analog 01

Analog 01

Titel: Analog 01
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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war sinnvoller, der Entwicklung der beruflichen Fähigkeiten freien Lauf zu lassen. Man erwartete zu Recht, daß sie sich zusammen mit den persönlichen Beziehungen während der Reise entfalten würden. Diese Vorgehensweise konnte die Entscheidung erleichtern, welche Person für welche Aufgabe vorbereitet werden sollte. Die andauernde Teilnahme an einer Theatergruppe führte normalerweise auch zu engeren Freundschaften zwischen Mitgliedern, was man sich neben der fachlichen Qualifikation in einem Team wünschte.
    Im alltäglichen Leben verhielt sich Scobie Broberg gegenüber stets mit der Zurückhaltung, die man von ihm erwarten konnte. Sie war sehr attraktiv, hielt jedoch treu zu ihrem Mann. Scobie respektierte das, außerdem war er ein Freund von ihm. (Tom machte in den Spielen nicht mit. Als Astronom hatte er genug zu tun, um sich nicht auch noch in seiner Freizeit beschäftigen zu wollen.) Bevor sich Scobie und Broberg überhaupt näherkamen, spielten sie bereits mehrere Jahre zusammen in der Gruppe. Es war wohl nicht bloßer Zufall, daß sie sich während einiger Mußestunden trafen. Sie waren in ihrem Theaterstück an einer Stelle angelangt, an der ihre Rollen sie zu ähnlicher Vertrautheit führten. Sie trafen sich in dem Erholungszentrum, das sich auf der Rotationsachse des Raumschiffes befand. Daher war hier die künstlich erzeugte Schwerkraft ohne Auswirkung. Sie tummelten sich durch den Raum, lachten vor Vergnügen, gingen, als sie müde geworden waren, in das Clubhaus, legten ihre Kleidung ab und duschten gemeinsam. Es war das erste Mal, daß sie sich nackt sahen. Keiner sagte ein Wort, aber Scobie verheimlichte nicht seine Freude an ihrem Anblick. Sie errötete und schaute verlegen in eine andere Richtung. Wieder angezogen, beschlossen sie, noch einen Drink zu sich zu nehmen.
    Sie fanden eine Bar, in der sie ganz für sich allein waren. Er bestellte sich per Knopfdruck einen Scotch, sie einen Pinot Chardonnay. Die Maschine bediente sie, und sie trugen ihre Erfrischungen hinaus auf den Balkon. Sie setzten sich an einen Tisch und genossen die gigantische Aussicht, die sich ihnen von hier aus bot. Das Clubhaus hing in einem Stützgerüst und bot lunare Schwerkraftverhältnisse. Über ihnen sahen die beiden den Himmel, durch den sie noch vor wenigen Minuten als Vögel geflogen waren. Seine Ausdehnung schien durch die weit entfernten, spinnenartigen Traversen so wenig eingeschränkt zu sein wie durch ein paar vorbeiziehende Wolken. Dahinter wurden die gegenüberliegenden Decks, ein Wirrwarr von Linien und Formen, zu dieser Stunde in ein mysteriöses Licht getaucht. Zwischen den Schatten auf der anderen Seite konnten die beiden Wälder, Flüsse und Teiche erkennen, die im weißlichen Licht der Sterne aufleuchteten. Nach rechts und links erstreckte sich der Schiffsrumpf über Sichtweite hinaus ins Dunkel, in dem nur noch die Positionslichter, scheinbar verlorengegangen, aufleuchteten.
    Die Luft war kühl und duftete ein wenig nach Jasmin. Es herrschte tiefe Stille. Nach allen Seiten hin spürte man unterschwellig den unermüdlichen Pulsschlag des Schiffes.
    „Großartig“, flüsterte Broberg und starrte hinaus. „Welch eine Überraschung.“
    „Wie bitte?“ fragte Scobie.
    „Ich war erst einmal während der Tageswache hier. Ich konnte nicht ahnen, daß eine einfache Drehung der Sonnenlichtreflektoren eine so wunderbare Wirkung hat.“
    „Oh, ich habe nichts gegen die Aussicht bei Tage. Sie ist ebenso eindrucksvoll.“
    „Ja, aber … aber dann sieht man zu deutlich, daß alles menschengemacht ist, nichts ist dann so wild, so unerklärlich und so frei wie jetzt. Die Sonne überstrahlt die Sterne. Es scheint dann, als seien wir allein, als gäbe es kein Universum hinter der Schale, in der wir uns befinden. Heute nacht ist es wie in Maranoa“, dem Königreich, in dem Ricia Prinzessin ist, einem Königreich wie vor uralten Zeiten, voller Wildheit, voller Zauber.
    „Hmmm, ja, manchmal empfinde ich genauso“, gab Scobie zu. „Ich dachte, ich hätte auf dieser Reise genug mit meinem geologischen Datenmaterial zu tun. Aber mein Projekt ist nicht besonders aufregend.“
    „Mir geht’s ebenso.“ Broberg richtete sich in ihrem Sitz auf und wandte sich ihm zu. Sie lächelte ein wenig. Das dämmrige Licht ließ ihre Gesichtszüge noch weicher erscheinen, es mach te sie jünger. „Nicht, daß wir Grund zum Selbstmitleid hätten. Wir sind sicher und haben es bequem, bis wir den Saturn erreichen. Dort werden
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