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Analog 01

Analog 01

Titel: Analog 01
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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wir keinen Mangel an Aufregungen mehr haben, und für den Weg zurück nach Hause werden wir genug Arbeit mitnehmen können.“
    „Stimmt.“ Scobie hob sein Glas. „Also, Skoal. Ich hoffe, das war richtig ausgesprochen.“
    „Woher soll ich das wissen?“ lachte sie. „Mein Mädchenname war Almyer.“
    „Ja, richtig. Du hast Toms Familiennamen angenommen. Habe ich gar nicht mehr bedacht. Das ist aber heute auch sehr ungewöhnlich geworden, oder?“
    Sie hob ihre Schultern. „Meine Familie war sehr wohlhabend, aber sie war – ist – katholisch, und da legt man auf einige Dinge besonderen Wert. Du kannst es altmodisch nennen.“ Sie führte ihr Glas an den Mund und nahm einen kleinen Schluck Wein. „Ich bin zwar aus der Kirche ausgetreten, aber ein paar Dinge werde ich mein ganzes Leben nicht abschütteln können.“
    „Das verstehe ich. Nicht, daß ich indiskret sein will, aber … äh … das erklärt einige Züge an dir, über die ich mich schon seit langem wundere.“
    Sie musterte ihn über den Glasrand hinweg. „Zum Beispiel?“
    „Also, du hast eine Menge Leben in dir, Energie, Humor, aber auf der anderen Seite bist du so – wie soll ich sagen – ungewöhnlich ruhig, zurückhaltend. Du hast mir erzählt, daß du vor deiner Heirat Fakultätsmitglied an der Yukon-Universität warst.“ Scobie lächelte. „Da Tom und du so freundlich wart, mich zu eurem Hochzeitstag einzuladen, weiß ich, wie alt du bist. Es ist nicht schwer nachzurechnen, daß du damals dreißig gewesen sein mußt.“ Dabei ließ er seine berechtigte Vermutung unerwähnt, daß sie zu der Zeit wohl noch Jungfrau gewesen war. „Aber … oh, vergiß es. Ich will wie gesagt nicht indiskret sein.“
    „Sprich weiter, Colin“, bat sie ihn. „Du hast mir die Gedichte von Burns nahegebracht. Seither muß ich immer an eine bestimmte Zeile von ihm denken. ‚Sich selbst zu seh’n wie durch die ander’n?’ Da es nun schon einmal so aussieht, als ob wir denselben Mond besuchen sollten …“
    Scobie nahm einen großen Schluck von seinem Scotch. „Ach, da ist nichts weiter“, sagte er mit einer unbeabsichtigt unsicheren Stimme. „Wenn du es unbedingt wissen möchtest, gut; ich habe den Eindruck, daß deine Liebe zu Tom nicht der einzig gute Grund für dich war, ihn zu heiraten. Er war als Teilnehmer für diese Expedition bereits benannt. Das war für dich die Chance, ebenfalls mitzukommen; außerdem hattest du die geeigneten Qualifikationen. Kurz, du fandest keine Freude mehr an deinem zwar respektablen, aber zur Routine gewordenen Job. Hier war die Gelegenheit gekommen, dem festgefahrenen Alltag zu entkommen. Habe ich recht?“
    „Ja.“ Ihr Blick ruhte auf ihm. „Du bist feinfühliger, als ich gedacht habe.“
    „Nein. Nicht wirklich. Ich bin im Grunde sehr dickhäutig. Aber durch Ricia habe ich ganz deutlich erfahren, daß du mehr bist als eine schüchterne Frau, Mutter und Wissenschaftlerin …“ Ihre Lippen öffneten sich einen Spalt. Er wehrte mit seiner erhobenen Hand ab. „Nein, bitte laß mich aussprechen. Ich will damit nicht sagen, daß du dich in deiner Theaterrolle glücklicher fühlst als in Wirklichkeit. Natürlich willst du genausowenig eine herumvagabundierende, männerbetörende Frau sein wie ich ein gefürchteter Haudegen, der all seine Feinde niedermacht. Aber dennoch – wärest du in der Welt unseres Spiels geboren und aufgezogen worden, glaube ich, daß du Ricia sehr geglichen hättest. In dir steckt eine Menge von ihr, Jean.“ Er trank in einem Zug sein Glas leer. „Falls ich zuviel Unsinn erzählt habe, entschuldige mich bitte. Soll ich dir nachschenken?“
    „Mir besser nicht mehr. Aber laß dich nicht durch mich abhalten.“
    „Nein.“ Er stand auf und ging an die Bar.
    Während er zurückging, bemerkte er, daß sie ihn die ganze Zeit über durch die Glastür hindurch beobachtete. Sie lächelte, als er sich setzte, lehnte sich ein wenig über den Tisch und sag te flüsternd: „Ich bin froh über das, was du gesagt hast. Jetzt kann ich endlich aussprechen, daß du dich durch Kendrick als außerordentlich komplizierte Persönlichkeit offenbarst.“
    „Was?“ Scobie machte ein ehrlich überraschtes Gesicht. „Jetzt hör aber auf! Er ist ein grober Kerl. Einer, der gern he rumzieht, so wie ich. In meiner Jugend war ich ein streitsüchtiger Mensch, genauso wie er.“
    „Er mag zwar eine etwas rauhe Schale haben, aber er ist ein edler Ritter, ein milder Herrscher, ein traditionsbewußter Freund von
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