Analog 02
„Lassen Sie sich nicht stören, Mr. Thomas.“
„Weiterhin“, fuhr der Anwalt unbeeindruckt fort, „haben Sie darauf bestanden, als Zeuge in Ihrem eigenen Fall aufzutreten. Das allein rechtfertigt eine Aussetzung des Verfahrens. Wenn Sie schon Zeuge werden wollen, dann müssen Sie einen anderen – unparteiischen – Richter finden.“
„Es steht keiner zur Verfügung, Mr. Thomas. Nächster Punkt?“
„Derselbe Einspruch gilt auch für Ihre Position als Staatsanwalt.“
„Notiert. Noch mehr?“
„Zu keiner Zeit während dieser Verhandlung, die auf eine Verbannung Mr. Millers hinauslaufen soll, kam er in den Vorzug, Geschworene zu haben.“
„Aber ich habe die Funktion von Richter und Geschworenen einfach vereint. Ich war der Prüfer der Tatsachen. Das wird auch im amerikanischen Rechtssystem so gehandhabt.“
„Nur wenn beide Parteien damit einverstanden sind, auf die Anwesenheit von Geschworenen zu verzichten.“
„Oh, nun gut, Sie sollen Ihre Geschworenen bekommen.“
„Aber – die Verhandlung ist vorbei “, protestierte Quentin Thomas.
„Die Geschworenen können nur dann rechtmäßig entscheiden, wenn sie von Anfang an alle Aussagen gehört haben.“
„Eine Forderung, die mit Leichtigkeit erfüllt werden kann, Mr. Thomas. Ich werde Geschworene einberufen und ihnen einen kurzen Abriß der bisherigen Ereignisse vermitteln.“
„Großer Gott!“ flüsterte Quentin Thomas.
„Eh? Was?“ fragte Richter Jones streng. „Achten Sie auf Ihre Worte, Mr. Thomas.“
„Tut mir leid“, sagte der Anwalt. „Nun denn, wo sind meine Geschworenen?“
„Ich werde Ihnen vier gute, aufrichtige Männer als Geschworene geben.“ Während er sprach, materialisierten vier Gestalten auf der Geschworenenbank.
„Mir stehen aber zwölf zu.“
„Ich bitte Sie, Mr. Thomas. Geschworene darf man doch nicht nach Zahlen bewerten. Es gibt keinerlei konstitutionelle Verankerungen, denen zufolge es genau zwölf Geschworene sein müssen.“
„Ich verstehe. Wer sind die vier?“
„Einen haben Sie bereits kennengelernt. Pierre Cauchon.“
„Der ebenfalls ein Zeuge ist“, kommentierte Quentin Thomas.
„Ich setze meine Leute eben effizient ein. Der nächste ist Ayatollah Chomeini aus dem Iran.“
„Gleichermaßen unakzeptierbar, Euer Ehren. Der Ayatollah war früher einmal Ölminister. Er ist völlig voreingenommen in Sachen Öl.“
„Soll ich fortfahren, Mr. Thomas, oder wollen Sie die Geschworenen ablehnen?“
„Bitte fahren Sie fort.“
„Der nächste ist Mr. John Lewis.“
„Der frühere Chef der Vereinigten Minengesellschaften? Ebenfalls völlig voreingenommen. Kohle.“ Er fügte noch grimmig hinzu: „Wie wär’s mit einem weiteren? Jemandem, der die Kernenergie repräsentiert?“
Richter Jones bedachte ihn mit einem argwöhnischen Blick, doch dann lächelte er. „Ausgezeichneter Vorschlag, Mr. Thomas. Tatsächlich biete ich Ihnen noch Mr. Martin Birnheim …“
„ Der Vorsitzende der Amerikanischen Kernenergiebehörde“, endete Quentin Thomas. „Und nun noch eine Frage für die Aufzeichnungen, Euer Ehren.“
„Selbstverständlich, Mr. Thomas.“
„Ist es die Meinung des Gerichts, daß jeder dieser Männer neutral ist und der Erfindung meines Klienten unvoreingenommen gegenübersteht? Daß Mr. Chomeini zum Beispiel sich überhaupt nicht darum schert, ob Mr. Millers Erfindung das Öl als Energiequelle völlig bedeutungslos macht?“
„Nein, Mr. Thomas, der Meinung bin ich nicht. Ganz im Gegenteil. Jeder der vier Geschworenen ist außerordentlich gegen die Erfindung Ihres Klienten eingestellt. Vielleicht hätte ich Sie zuvor auf einige kleine Unterschiede zwischen Ihrem und unserem Geschworenensystem aufmerksam machen sollen. Sie bestehen auf Desinteresse. Wir dagegen achten sehr stark darauf, daß alle Geschworenen ein vitales Interesse an dem Fall haben.“
Quentin Thomas fuhr sich mit der Hand über die Stirn. „Ich verstehe. Also ist mein Klient jetzt keinesfalls besser dran als zuvor.“
„Stimmt.“
„Wahrscheinlich schlechter.“
Richter Jones hielt seine schuppigen Handflächen in offener Frustration in die Höhe. „Aber es war doch Ihre Idee, Mr. Thomas.“
„Die Verteidigung verzichtet auf Geschworene. Wir akzeptieren, daß die Verhandlung ohne Geschworene durchgeführt wird.“
„Nicht so hastig, Mr. Thomas. Ich hatte einige Mühe, diese feinen Herren hier herbeizuschaffen. Ich verzichte nicht auf Geschworene. Ich berufe den Ayatollah Chomeini zum
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