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Analog 06

Analog 06

Titel: Analog 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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welchem Ausmaß kümmerte Ös sich wirklich um ihr Volk? Oder war er so von der Rache besessen, daß keine der anfallenden Konsequenzen für ihn eine Rolle spielten?
    Doch zunächst mußte sie sich dringenderen Problemen zuwenden.
    „Bezüglich einer Frage hattest du recht, Verehrungswürdiger“, sagte sie trocken zu dem Priester. „Wenn ich mit Gott kommuniziere, dann ist mein Verstand so frei von gewöhnlichen und trivialen Gedanken, daß ich den Kontakt mit der schnöden Realität völlig verliere.“
    „Es ist schön, daß die Herrin so mit der Entwicklung der Dinge zufrieden ist“, sagte Rasch-Verändernde-Flecken.
    „Ich bin nicht zufrieden“, flackerte sie. „Und schon gar nicht mit der Entwicklung. Ich habe ganz einfach den Anschluß an die Zeit verloren. Daher, Priester, wird es in Zukunft deine Aufgabe sein, dich darum zu kümmern, daß ich mich hin und wieder auch einmal dem wirklichen Leben widmen kann. Darüber hinaus muß es regelmäßig Zeiten geben, zu denen mich das Volk sehen kann!
    Und schickt alle Pilger wieder nach Hause zurück! Sagt ihnen, sie sollen den Worten Gottes folgen und an ihren eigenen Ufern brüten. Versuche nicht, dir geschwind einen Panzer überzuziehen, der dir viel zu groß ist, alter Priester!“
    „Du vergißt dich, Grünäugige Sie.“ Seine Worte wurden von einem düsteren roten Flackern begleitet. „Du vergißt, mit wem du sprichst.“
    „Du vergißt, mit wem du sprichst. Du hast Gott an der Pforte gesehen. Ös suchte nach mir … Aber nicht zornig, sondern ängstlich, denn als Ös mich sah, kehrte er wieder friedlich in seinen Teich zurück. Bedenke jedoch, was hätte geschehen können, hätte Ös mich nicht gesehen, wäre Ös beispielsweise zu der Überzeugung gelangt, daß man mich aus unerfindlichen Gründen von ihm fernhält. Denke daran, und vergiß es nie mehr. Und nun – erinnerst du dich an die blasphemischen Worte über Gott, die du vor vier Jahren mir gegenüber geäußert hast, als ich lediglich eine Novizin war? Oder ist es dir gelungen, dein inneres Auge völlig vor ihrem Licht zu verschließen? Ich jedenfalls erinnere mich an sie.
    Und nun versuche dir vorzustellen, was geschehen würde, könnte die Bevölkerung solche Worte erblicken. Wie lange würde man dann noch den Dienern Gottes gehorchen und sie unterstützen, wenn Gott gar kein Gott ist? Wie lange würden die fernen Stämme und Klans sich noch der Herrschaft der Stadt Gottes und ihres Priesters fügen, wenn sich unser sichtbarer und substantieller Gott als ebenso falsch erweist wie ihre unsichtbaren, insubstantiellen Götter, die niemals auf seine Herausforderung zum Kampf um die Überlegenheit eingegangen sind? Sie würden sagen: ‚Selbstverständlich lassen sich unsere Götter nicht auf einen Kampf mit einem sterblichen Geschöpf ein, so mächtig und groß es auch sein mag.
    Denke über beides sorgfältig nach. Aber bedenke auch das Folgende.“ Sie dämpfte den grellen Ton ihrer Farben. „Ich bin nicht dein Feind. Alles in allem schätze ich mein Leben ebenso sehr wie du das deine. Und wenn sich auch einige Kleinigkeiten ändern müssen, von denen ich gerade gesprochen habe, würde ich größere Veränderungen nur ungern hinnehmen. Ich will dein Amt nicht und auch kein anderes. Ich glaube, daß die Stadt Gottes auch weiterhin über die Stämme der Sterblichen herrschen und daß die Diener Gottes auch weiterhin die Stadt regieren sollten, denn so war es immer, und so ist es richtig. Doch sollte meinen Wünschen nicht entsprochen werden, werden gefährliche Gedanken in der Stadt die Runde machen!“
    „Hohe Herrin, die Worte derjenigen, die mit Gott kommuniziert, werden immer gnädig aufgenommen, und es ist das Privileg der Diener Gottes, ihnen zu gehorchen.“
    „Das gefällt mir.“
     
    Himmelssängers Probleme bewegten sich in eine andere Richtung. „Wo warst du, Kleines? Ich fürchtete schon, dir wäre etwas zugestoßen.“
    „Mir ist etwas zugestoßen – vier Jahre verstrichen binnen weniger Tage! Wie konntest du mir das nur antun? Ist dir niemals der Gedanke gekommen, daß ich ein eigenes Leben haben könnte? Immer behauptest du, wir wären Freunde, und dann behandelst du mich wie ein Gott seinen niedersten Sklaven.“
    „Kleine Grünauge, du zeigst mir Unsinn. Ich habe dir viele, viele Male gesagt, du sollst tun, was dir gefällt, du sollst dein Leben leben und mir nur die Zeit widmen, die du ohne Härte entbehren kannst – denn ich habe schon Jahrtausende vor deiner Zeit

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