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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Neuffer
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Eisregen kann so behaglich sein – wenn man eingekuschelt zu Hause sitzt, ein Glas Glühwein trinkt und das Szenario in den Fernsehnachrichten sieht. Endlose Ketten still stehender Scheinwerfer, durch deren Lichtkegel der Regen peitscht. Jeder Tropfen eine winzige Addition zu der Katastrophe – und zur eigenen Gemütlichkeit.
    Doch wenn man an einem dunklen Januarabend nichts ahnend aus einer Autobahnraststätte tritt, der Regen ins Gesicht peitscht und man schmerzhaft auf dem Steißbein landet, ist Eisregen alles andere als behaglich. Im Gegenteil, man könnte sagen, sogar außerordentlich unangenehm. Und er kann – hier spreche ich aus Erfahrung – das Leben verändern. Aber das wusste ich damals natürlich noch nicht. Als ich an jenem Neujahrsabend die Glastür der Raststätte Allertal aufstieß und höchst unsanft auf den Hintern fiel, habe ich zwar deftiger geflucht, als ich zugeben möchte, aber natürlich dachte ich keinen Moment lang daran, dass dieses Wetter weiterreichende Folgen haben würde als einen verdorbenen Abend. Nein, mich bewegte nur die Frage, wie ich zu meinem Auto kommen konnte. Zehn Minuten später hatte ich es schlitternd und strauchelnd geschafft. Erleichtert schaltete ich die Innenbeleuchtung an und warf einen Blick in den Rückspiegel. Knipste das Lämpchen sofort wieder aus. Ich sah aus wie eine gebadete Katze! Na klasse! Warum kann ich nicht einmal auch mitten in einer Naturkatastrophe schön aussehen? Cameron Diaz schafft das spielend, und wenn ich einen sehr guten Tag habe, behauptet Laura, sehe ich ihr ähnlich.
    Ich wühlte in meiner braunen Umhängetasche nach meinem Handy und stieß dabei – hallelujah! – auf eine zerknitterte Schachtel Marlboro. Eigentlich rauchte ich nie, und ich konnte mir nicht erklären, wie diese Schachtel in meine Tasche geraten war, aber sie war ein Geschenk des Himmels. Allerdings musste ich das Fenster öffnen, wenn ich rauchte. Aber ich fror ja sowieso.
    Paffend klickte ich mich durch das Telefonbuch meines Handys. Laura? – Verlockend, aber ein Blick auf den Akkustand sagte mir, dass ich das besser lassen sollte. Lieber Holger. Erstens hat ein Ehemann ein Anrecht darauf zu erfahren, warum seine Frau ausbleibt, zweitens würde mir besonnener männlicher Zuspruch jetzt gut tun.
    »Spenger?«
    »Hi, ich bin's. Holger, ich stecke in Allertal fest. Eisregen.«
    »Ach, Lena, Kleines, wie dumm! Wie konnte das denn passieren? – Aber na ja, wenn du in Allertal bist, ist es ja nicht so schlimm. Geh einen Kaffee trinken und ruf mich in einer Stunde wieder an. Bis dahin werden sie die Straße bestimmt frei haben.« Holgers Vertrauen in die Allmacht des Straßendienstes war ungebrochen.
    »Holger, mein Akku piept schon. Wenn ich mich nicht mehr melde, mach dir keine Sorgen ...«
    »Nein, nein. Fahr bloß nicht los, bevor es nicht restlos getaut hat, hörst du?!«
    Und dann war der Akku leer. Auch gut. So viel zu männlichem Zuspruch. Er brachte gar nichts. Und die Zigarette war auch zu Ende.
    Ich zog die Füße auf den Sitz und meinen kurzen Mantel über die Knie. Der Königsweg zur Gemütlichkeit war das nicht. Ich steckte die Nase in meinen Rollkragen und blies warme Luft hinein. Sie reichte nicht einmal bis zum Bauchnabel.
    So hatte ich mir diesen Abend nicht vorgestellt! Als ich am Morgen losgefahren war, um Katharina und Nina, meine Lieblingstanten, zu besuchen, war es zwar kalt gewesen, aber die Luft hatte nach Schnee gerochen, und der Himmel war knatterblau gewesen. Jetzt war der Himmel mehr als schwarz, und die Luft roch nach Abgasen. Um mich herum parkten die Autos dicht an dicht, und jeder Fahrer ließ seinen Motor laufen, um nicht zu erfrieren. Umweltschweine! Aber was die konnten, konnte ich auch. Nur richtig warm wurde mir dadurch nicht.
    Ich tippte mich durch die Radioprogramme, in der Hoffnung, einen Wetterbericht zu finden, der eine den Norden in Blitzesschnelle überrollende Warmfront versprach. Stattdessen stieß ich auf einen widerlich unbekümmert dahinperlenden Chopin, das Gute-Nacht-Hörspiel für Kinder und einen Reisebericht über Peru – wo die Menschen ganz offensichtlich andere Sorgen hatten als ich.
    Nein, das war alles nicht das Wahre. Hier im Auto sitzen zu bleiben war wirklich schwachsinnig. Ich beschloss, zur Raststätte zurückzutapsen, mir irgendeinen Roman zu kaufen und mich bei einer Tasse heißer Brühe im Restaurant niederzulassen, bis sich das Schicksal wendete.
    Also nahm ich meine Tasche und stieg vorsichtig aus,

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