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Analog 06

Analog 06

Titel: Analog 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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unzweckmäßig gebärden und jemandem Kraft für ein langes Leben geben, der ohnehin mit Anbruch der Morgendämmerung sterben muß?“
    Wandra zog die Knie an die Brust und begann hin und her zu schaukeln. Sorrel streichelte ihr übers Haar. „Erinnerst du dich noch an das Krat, das wir vor einer Weile vor der Vorlesungshalle gesehen haben?“
    Sie nickte.
    „Gestern habe ich es wieder gesehen.“
    Sie blickte auf. „Was, dasselbe Krat?“
    Sorrel zuckte die Achseln. „Es hatte dieselbe zackige Narbe auf der Seite.“
    Wandras Mund öffnete sich zu der naheliegenden Frage.
    „Die Krats haben mehr Glück gehabt als die Rosaner“, kam ihr Sorrel zuvor. „Als sich die Rosaner in die Höhlen zurückzogen, fanden sie einen Platz, wo kein evolutionärer Druck mehr auf ihnen lastete. Als die Krats erschienen, waren die Rosaner bereits da, entschlossen, ihre Höhlen zu verteidigen und die Eindringlinge zu vernichten. So dauerte für die Krats der Evolutionsdruck fort. Nur die Stärksten überlebten. Die Natur erkannte, daß Langlebigkeit für die Krats sinnvoll war, und die Krats haben sich diese Langlebigkeit durch einen Generationen währenden, hohen Blutzoll erkauft.
    Den Rosanern hat die Natur jedoch keine Langlebigkeit gewährt, weil dazu keine Notwendigkeit besteht, und die Notwendigkeit ist der einzige Beweggrund für die Natur. Der Natur ist es gleich, ob die Rosaner auf eine glückliche und erfüllte Weise überleben – was zählt ist nur, daß sie überhaupt überleben. Die Rosaner haben sich nie zur Langlebigkeit entwickelt, weil ihre Art auch so erhalten blieb.“ Sorrel wurde durch die Bitterkeit, die sich in seine Stimme mischte, selbst überrascht. „Die Charakteristika, die sie so wundervoll und erhaltenswert machen, sind die gleichen, die sie auf alle Ewigkeit dazu verurteilt haben, ein Leben zu führen, das nach Minuten zählt.“
    „Das ist nicht gerecht“, schluchzte Wandra.
    „Gerechtigkeit spielt dabei keine Rolle“, fuhr Sorrel fort, und jetzt war die Bitterkeit in seiner Stimme nicht mehr zu überhören. Die Vision vom Sterben seiner Kinder auf einem strahlenverseuchten Planeten brannte auf seiner Netzhaut. „Die Natur kennt keine Gerechtigkeit. Nur die Menschen setzen auf sie. Sie ist ein Konzept, das wir ersonnen haben und das nur dort existiert, wo wir es erschaffen.“
    Beide schwiegen eine lange Zeit. Schließlich durchbrach Wandra die Stille: „Gibt es denn gar nichts, was wir tun können? Intravenöse Ernährung zum Beispiel?“
    Sorrel schüttelte den Kopf. „Unter gewissen Umständen ist das ein Ausweg, aber die Grundlebenszeit der Rosaner ist bereits in ihre Zellen eingebaut. Der Metabolismus der Zelle endet, ganz gleich, wieviel Nahrung man ihr zuführt. Es ist als ob sie wüßten, daß sie sterben müssen.“
    „Wie wäre es, wenn man ihren Metabolismus verlangsamte?“
    Sorrel sah ihr in die Augen. „Wenn du deine Lebensweise um ein Zehntel verlängern könntest, dazu aber deine Lebensfreude in jedem Augenblick um die Hälfte reduzieren müßtest – würdest du es tun?“
    Wandra schluchzte, und Sorrel streichelte ihr wieder übers Haar. „Ich wünschte, ich könnte dir etwas Tröstlicheres sagen.“ Seine Stimme hatte wieder den alten, weichen Klang angenommen.
    Wandras Arme schlangen sich um Sorrels Leib. „Willst du … nicht bei mir bleiben? Bis morgen?“
    Sorrel holte mühsam Luft. Plötzlich kam er sich wie ein alter Mann vor, ein Gefühl, das ihn in letzter Zeit häufiger heimsuchte. „Ich würde gern“, sagte er leise, „wenn ich wirklich glauben könnte, daß auch dein Herz danach verlangt.“ Er küßte sie auf die Stirn und löste sich behutsam aus ihrer Umarmung. „In ein paar Stunden werde ich noch einmal nach dir sehen. Wenn du nicht einschlafen kannst, dann ruf mich bitte.“ Er sah sie ein letztes Mal an. „Träum was Schönes!“ flüsterte er, während er ihre Kammer verließ.
     
    Kir Bay befingerte sein UL-Medaillon, während er sprach. „Nun, auf jeden Fall bleibt uns noch eine Menge Zeit. Es dauert noch einige Stunden bis zur Wahl der Blutsbandschaft. Aber es ist eine Schande, daß der Supremi-Kandidat gewinnen wird.“
    Sorrel starrte ihn erschreckt an. „Was?!“ Es waren bereits mehrere Tage vergangen, seit sich Sorrel zum letzten Mal die rosanischen Nachrichten angehört hatte. Jetzt verwünschte er sich selbst, daß er sich nicht auf dem laufenden gehalten hatte. Vor weniger als einer Woche waren die Supremi nur eine religiöse

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