Analog 07
wie der richtige. Er konnte nicht unterscheiden, ob Delphine am Ufer gestrandet waren oder nicht.
Ein großer Trümmerbrocken trieb in seine Nähe. Er brauchte einen Augenblick, um zu bemerken, daß es Keepiru war.
Wassertretend öffnete er mit einer Hand den Helm.
„Na“, fragte er, „bist du stolz auf dich?“
Keepiru legte sich schwach auf eine Seite, während er mit einem dunklen Auge auf Toshio blickte. Die Schwellung auf dem Kopf des Meeressäugers, wo menschliche Einmischung aus dem früheren Blasloch eine Sprachapparatur gebildet hatte, gab einen langgezogenen, leisen und trillernden Ton von sich.
Toshio war nicht sicher, ob es nur ein Seufzen war. Es mochte eine Entschuldigung in Ur-Delphinisch sein. Allein die Möglichkeit reichte aus, um ihn wütend zu machen.
„Laß den Unsinn! Ich will nur eines wissen. Muß ich dich zurück zum Schiff schicken? Oder glaubst du, daß du lange genug bei Bewußtsein bist, um mir zu helfen? Antworte in Englisch, und zwar besser grammatisch korrekt!“
Keepiru stöhnte vor lauter Qual. Nach einem Augenblick heftigen Atmens sprach er endlich, sehr langsam.
„Schick mich nicht zurück“, brummte er unglücklich. „Sie schreien immer noch nicht nach H-H-Hilfe! Ich werde tun, um was du mich b-b-bittest!“
Toshio nickte schroff. Er versuchte, im Westen etwas zu erkennen, konnte aber nicht feststellen, ob die nächste Schockwelle nahe war. Das machte nicht viel aus.
„Also gut. Tauch nach unten und such den Schlitten. Wenn du ihn gefunden hast, nimmst du dir einen Atmer. Ich will nicht, daß du von Atemnot behindert wirst, und außerdem brauchst du eine ständige Erinnerung! Dann bring den Schlitten nach oben, zur Insel, aber nicht zu nah !“
Keepiru schwang seinen Kopf in einer weiten, nickenden Bewegung.
„J-J-Ja!“ schrie er. Dann flitzte und tauchte er durch das Wasser.
Toshio drehte sich, um nach Westen zu schauen, nachdem er den Helm geschlossen hatte. Es war, als ob Keepiru alles Denken ihm überließ. Der Flosser hätte sich womöglich gesträubt, wenn er aufgeschnappt hätte, was Toshio im Kopf herumging.
Einen Kilometer bis zur Insel. Es gab nur einen Weg, um dorthin zu gelangen und dabei zu vermeiden, über die abschüssige, rauhe Oberfläche aus Metallkorallen zu klettern. Er überprüfte noch einmal seine Orientierung, um sicher zu sein, daß er das Ziel nicht verfehlen würde – dann zeigte ihm das Fallen des Wasserspiegels an, daß die nächste Welle kam.
Die vierte Welle schien die bisher sanfteste zu sein. Obgleich er wußte, daß das Gefühl eine Täuschung sein konnte. Er war tief genug im Wasser, daß der Schwall wie ein sanfter Bausch über ihn schwappte und nicht als niederkrachender Brecher. Er tauchte in den Wasserhügel hinein und schwamm eine Weile gegen die Strömung, bevor er zur Oberfläche aufstieg.
Er mußte es genau richtig abschätzen. Wenn er zu weit schwamm, würde er die Insel nicht vor dem folgenden Wellental erreichen, das ihn dann wieder hinaus auf die See tragen würde. Am Beginn der Welle zu bleiben, würde ihn der Gefahr aussetzen, mit der Brandung in einem gewaltigen Brecher auf den Strand geklatscht und wieder heruntergespült zu werden, und das war dann alles.
Alles geschah zu schnell. Er schwamm kräftig, konnte aber nicht ausmachen, ob er den Wellenberg schon überschritten hatte oder nicht. Dann zeigte ihm ein Schimmer, daß es zu spät für Korrekturmaßnahmen war. Er drehte sich herum, um den großen, laubbedeckten Wall anzublicken.
Der Brecher war zu Beginn hundert Meter hoch, aber der Hang fraß die Welle schnell auf, als der Grund den Zyklon zu einem schäumenden Ungeheuer auseinanderzog. Die Spitze wanderte zurück auf Toshio zu, während die Welle den Strand hinaufschnellte.
Der Junge versteifte sich, als der Kamm ihn erreichte. Er war darauf vorbereitet, in einen Abgrund zu schauen und danach nichts mehr zu sehen.
Was er sah, war ein Wasserfall weißen Schaums, als die Welle abzusterben begann. Toshio schrie auf, um seine Gehörgänge freizumachen, und begann, wütend loszuschwimmen, um an der Spitze der kräuselnden, gleitenden Welle aus Schaum und Trümmern zu bleiben.
Plötzlich war überall um ihn herum Grünzeug. Bäume und Sträucher, die den ersten Angriffen widerstanden hatten, schwankten nun unter der Attacke der schwächeren Schwester. Einige verloren gerade ihren Halt, als er vorbeischwamm. Andere standen noch und wedelten ihm entgegen, während er zwischen ihnen
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