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Analog 4

Analog 4

Titel: Analog 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Erinnerung“, meinte sie zynisch. „Bis zum Mittagessen bin ich sowieso tot.“
    „Was ?“
    Sie kam näher. Wir lehnten uns beide an die schmierige Theke, so daß wir uns fast berührten. „Ich gehöre zu den Geistern, weißt du“, sagte sie.
    „Das verstehe ich nicht.“
    „Was machst du denn jeden Tag?“
    „Meine Freundin läuft mir weg, und dann spiele ich einen schlechten drittklassigen Statisten für einen eingebildeten englischen Schauspieler in Hamlet.“
    „Dann hast du Glück. In meinem Drehbuch stößt der Zug fünfundzwanzig Meilen vor Philadelphia mit einem Neunachser zusammen. Peng! Alle tot. Und dann finde ich mich jeden Morgen wieder am Bahnhof. Am Anfang war ich ganz schön durcheinander, denn mir haben die Fremden keine Erklärungen abgegeben, während ich in den Trümmern lag. Also wiederhole ich alles immer und immer wieder. Vielleicht macht es mir eines Tages sogar Spaß.“
    Ich machte mir nicht klar, was das hieß. „Mit Schokoladenguß?“ fragte ich dumm.
    „Ja.“
    Eine weitere Pause folgte. Mir wurde klar, wie sehr ich eine andere Person brauchte, nicht Gail, wie sehr ich jemanden brauchte, der real war …
    „Wir sollten uns vielleicht besser kennenlernen“, schlug ich vor. „Wenn das einmal alles vorbei ist, könnten wir vielleicht …“
    „Nein, John. Das geht nicht. Ich bin ein Geist. Ich bin nicht unsterblich, verstehst du nicht! In dem ganzen Geschäft werde ich vollständig ignoriert! Ich bin schon tot, tot, für immer tot! Wenn man im Verlauf des Tages stirbt, wird man an dem Geschäft nicht beteiligt. Man muß bis Mitternacht überleben, verstehst du das nicht?“
    „… o Gott.“ Ich verstand.
    „Sie haben mich nur in der Show behalten, weil sie alles so genau wie möglich hinbekommen wollten. Ich bin ein Echo. Ich bin nichts.“
    Ich sagte kein Wort. Ich packte sie nur und küßte sie, direkt dort bei dem Doughnut-Stand. Sie war ganz kalt, wie Marmor, wie Stein.
    „Dann komm mit“, sagte sie. Um die Ecke fanden wir ein Stundenhotel. Ich bezahlte die acht Dollar, und für eine schrecklich kurze Zeit klammerten wir uns gierig, verzweifelt aneinander.
    Ich wachte ungefähr um elf Uhr auf. Gail rührte sich unruhig. Während ich die Bewegungen zum tausendstenmal vollzog, dachte ich die ganze Zeit: Das ist nicht fair, das ist nicht fair. Gail war am Leben, sie würde ewig am Leben bleiben, und sie ist wie eine Maschine, sie könnte ebensogut tot sein. Amy aber, sie war tot, aber so sehr lebendig. Dann wurde mir eine schreckliche Tatsache klar: Unsterblichkeit ist tödlich ! Ich war sehr bitter, sehr zornig, und das Summen wurde lauter, wie eine Warnung, und ich wußte, daß ich versuchen würde, etwas Entsetzliches zu tun. („Alles können sie schließlich nicht kontrollieren.“ Hatte das der Krishna-Jünger gesagt?)
    Ich mühte mich ab und versuchte, aus der Rille herauszukommen, versuchte, ein kleines Detail einer kleinen Bewegung zu ändern, aber immer wieder kehrte ich zu der unveränderlichen Vergangenheit zurück …
    Wir standen auf und frühstückten. Sie sah auf ihre bedrohliche Art unordentlich aus, und schwarze Haarsträhnen bildeten vor ihren verblüffend blauen Augen ein Netz.
    „John?“
    „Hm?“
    „John, ich verlasse dich.“
    „Warum, mit wem?“
    „Francis FitzHenry hat mich darum gebeten, zu ihm zu kommen – in seine Suite im Plaza!“
    Ich hob meine Hand, und dann nahm ich alle Kraft zusammen, die ich aus jeder verborgenen Quelle aufraffen konnte.
    Ich schlug ihr nicht ins Gesicht.
    Für den Bruchteil einer Sekunde überzog ein Ausdruck völliger Verwirrung ihr Gesicht, und ich sah sie an, und sie sah mich mit unlesbaren Gefühlen an. Und dann schwang alles wieder grotesk in die alte Spur, und sie sagte ruhig, gefährlich: „Du bist zu kleinkariert, John. Das ist der Grund, warum du für den Rest deines Lebens Guildenstern bleiben wirst.“ Als hätte sich nichts verändert. Das tat weh.
    Dann verschwand sie aus meinem Leben.
    Aber ich hatte etwas verändert! Und wir hatten kommuniziert – den Bruchteil einer Sekunde lang hatte sich zwischen uns etwas abgespielt!
    Aus dem Summen wurde ein Brüllen. In hundert durchsichtige Lichtschleier gebadet ging ich langsam ins Theater.
     
    Ungefähr zwei Minuten vor acht klingelte das Telefon in meiner Wohnung. Ich entschloß mich hinzurennen und eilte daher nackt in meine kleine Küche.
    „Ja?“
    „Hier ist Michael, John.“ Michael spielte den Horatio. Er schluchzte und wirkte sehr

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