Analog 6
Wasser und überblickten jenen in der hereinbrechenden Dämmerung kaum auszumachenden Ort, an dem sich etwas emporhob, was möglicherweise eine kleine Insel war. Doch wenn Gott den Psalm gesehen hatte, so gab Ös doch keine Zeichen. Der Chorleiter erlosch, bis er nur noch im Infrarotbereich strahlte, abgesehen von einem dunklen, grau-gelben Pulsieren, das über seinen Unterleib wogte: ein mißbilligendes Seufzen. Dieses löschte er rasch und blinkte seinen jungen Schülern höfliche Anerkennung zu.
Nach Beendigung der Feierlichkeiten zerstreuten sie sich und begannen mit den langen nächtlichen Aktivitäten, ihre Klauen kratzten über Kalkstein, sie blinkten und funkelten: müßiges Geschwätz. Wink sah Rot an ihrer Schulter.
„Hast du schon die neuesten Gerüchte gesehen?“ Seine Augenfühler ragten emsig nach vorn.
„Nein, und ich wünsche sie auch nicht zu sehen, dreister Müßiggänger“, antwortete sie virtuos in mißbilligendem Blau und Grau. „Hast du nichts Besseres zu tun, als unbedeutendem Tratsch hinterherzuspionieren? Das ist unerlaubte Kommunikation.“
„Aber nicht doch!“ Rot funkelte fröhlich, seine gute Laune schien ungetrübt. „Paß auf: Es wird eine Umbesetzung im Dienerkorps geben.“
Sie blitzte ihm ein angewidertes grün-gelbes Gekleckse entgegen. „Pah! … Solche Gerüchte gibt es zu allen Zeiten! Dein Gehirn scheint sogar noch kleiner zu sein, als ich immer angenommen habe. Solche Gerüchte erstrahlen häufig zu greller Helligkeit, woraufhin die Novizen ihre Zeit mit ihnen verplempern, doch zumeist verblassen sie wieder in die gefühlvolle Dunkelheit des Nachtlebens und hinterlassen als Fanal nur Frustration und zerbrochene Freundschaften. Und warum die Novizen ständig erwarten, daß die theoretisch freiwerdenden Stellen aus unseren Rängen aufgefüllt werden und nicht von den Fischern, denen diese Ehre weiß Gott gebührt, entzieht sich meiner Vorstellungskraft.“
„Nun, natürlich träumt jeder davon, die Härten des Fischens zu umgehen und direkt in den Dienerstatus aufzusteigen. Die Hoffnung keimt auf ewig in der Sterblichen Brust, so irrational das auch sein mag“, gab er mit einer albernen Sinuswelle zu, die über seine Mitte flackerte. „Und doch weiß ich dies aus zuverlässiger Quelle: Süßschuppe sah es direkt von Gimpe, die zufälligerweise zwei Älteste erblickte, die davon sprachen.“
„Laß den Unfug, die Leute beim Namen zu nennen!“ funkelte sie ängstlich. „Vielleicht sieht uns augenblicklich ebenfalls ein Ältester zu!“
Er reduzierte seine Intensität unmerklich, eine gleichgültige Reaktion. „Na und wenn schon! Soll er, sie oder Ös zusehen! Möchtest du noch etwas sehen?“
„Nein.“
„Gimper sagt außerdem …“ begann er.
Sie rollte mit den Augen – mit den Fühlern eine komplizierte Geste –, dann zuckte sie lachend mit dem Panzer, kurze Orangenblitze und Silberstrahlen sprudelten aus ihrem Hirnkasten und verpufften hinter ihr.
„Na gut! Ich erkenne, daß du erst zufrieden sein wirst, wenn du mir über alles Bescheid gezeigt hast, fahre also fort, ich habe noch einige Augenblicke Zeit.“
Er schnalzte mit der Kralle ungeduldig unter ihrem Kiefer, wandte sich aber erleichtert wieder seinem Klatsch zu. „Die Gimpe behauptet, daß sie dieses Mal wirklich einige Diener hinauswerfen werden, vielleicht sogar sieben oder acht. Zudem besteht die Möglichkeit, daß sie sie nicht durch Fischer ersetzen, wenigstens nicht alle. Ös sagt, das lange Fehlen Gottes bei unseren Gesängen und Feierlichkeiten habe die Priester und Ältesten so aufgeschreckt, daß sie sich bereits fragen, ob die derzeitigen Diener Ös in gewisser Weise beleidigt haben, oder ob sogar das ganze System eine Veränderung nötig hat. Man munkelt von einem Experiment. Und sieh mal, jeder weiß, daß dort draußen in der Wildnis etwas mit den Fischern geschieht. Nur die wenigsten werden durch die Erfahrung erleuchtet oder bleiben unbeschadet. Viele kehren … verändert zurück, unfähig, das Leben in der Stadt Gottes aufzunehmen, im Grunde genommen sogar für alles unfähig, für alles außer dem Fischen. Warum sollte es sich also bei dem erwähnten Experiment nicht darum handeln, daß die Ältesten vorhaben, Novizen als Diener anzunehmen?“
„Dein Pfad der Logik überquert tiefe Klüfte des Wunschdenkens, Rot“, meinte sie kichernd. „Doch was mich betrifft, so werde ich auch weiterhin auf meine Pflichtzeit als Fischerin warten.“
„Ach, auch wenn du dabei
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