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Analog 6

Analog 6

Titel: Analog 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Ös, Der die Welt und den Himmel erschuf, die Sterne, die singen, und die Sonne, die züchtigt, und Der die Sterblichen aus dem Schlamm und dem Schilfrohr vom Ufer des Heiligen Wassers erschaffen hat – er ist ewig, weise, allmächtig und gut.“
    „Welches ist der Zweck des Lebens?“
    „Gott zu dienen.“
    „Wohin gehen wir, wenn wir sterben?“
    „In Schlamm und Wasser des Heiligen Sees, aus dem wir zum Ruhme Gottes kamen, der unseretwegen hungert.“
    „Wenn Gott kein Geschlecht wie die Sterblichen kennt, warum nennen wir Gott dann Ös?“
    „Weil Ös uns ernährt, uns, Seine moralischen Schützlinge.“
    „Wer ist der Böse?“
    „Der Feind allen Lebens, der am Anbeginn der Zeiten seine teuflischen Sklaven gegen das Erwählte Volk Gottes ins Feld schickte, doch Gott stärkte sie und unterstützte ihre Pläne, und er rang mit den Dämonen und verbannte den Bösen.“
    „Das genügt. Alles richtig. Wenn ich dir nun aber sagen würde, daß dies alles falsch ist, daß Ös weder Welt noch Himmel schuf, noch Sterbliche aus Schlamm oder sonst etwas fertigte, daß Ös weder ewig, weise, allmächtig noch gut ist, daß der Zweck des Lebens lediglich darin besteht, zu leben, zu wachsen und sich zu verändern – während wir allerdings tatsächlich in den Heiligen See wandern, um von Gott verschlungen zu werden, wenn wir sterben, was allerdings nur deshalb geschieht, um den Fischern eine Last abzunehmen und zu niemandes Ruhm, daß Ös nur einen einzigen Nachkommen hervorgebracht hat, der gestorben ist, daß Gott möglicherweise einst einige Unterlinge des Bösen überwand, Ös aber niemals den Bösen verbannte, der keineswegs der Feind des landgebundenen Lebens ist …“
    Wink war schockiert erschwarzt. „Aber wer würde solche Blasphemien wagen …?!“
    „Gott wagt sie.“
     
    Es dämmerte fast, als sie benommen und zitternd den Tempel verließ. Sie beeilte sich nicht, in die kühle Sicherheit ihres Brutheims zu gelangen, sondern schritt langsam und nachdenklich dahin. Auch als der Himmel im Osten weißlich zu glühen begann, war sie mehr mit der gleichfalls gleißenden Beleuchtung in ihrem Innern beschäftigt. Erst als furchtsame, kränklich-grüne Aufgeschrecktheit in ihren Augen brannte, erkannte sie, wie spät es war. Ihr Brutschützer war herausgekommen, um nach ihr zu suchen, und nun trieb er sie zur Eile an, rasselte furchtsam und blinkte und funkelte andauernd. Sie hielten die Augen unterhalb der Bauchflansche, um sie vor der aufgehenden Sonne zu schützen. Nachdem sie der besorgten Standpauke ihres Beschützers entkommen war, floh sie tief in die gekrümmten Korridore zu ihrer einsamen kleinen Nische, die ihr seit ihrer Aufnahme zur Novizin gewährt wurde. Hier konnte sie Frieden finden …
    Nein. Niemals wieder.
    Wie sollte sie jemals wieder Frieden finden, nachdem der Hohepriester die Fundamente ihres Universums zerstört hatte, wie Gott Ös es selbst vor einigen Nächten bei ihm getan hatte?
    „… denn Gottes jüngste Gleichgültigkeit gegenüber uns, war für uns Anlaß zu ernster Sorge“, sagte der alte Rasch Verändernde Flecken, nachdem sie sich teilweise vom ersten Schock und der ersten Bestürzung erholte hatte. „Die höchsten unter uns gingen zum Altar und riefen Ös an. Doch Ös sah uns nicht oder wollte uns nicht sehen. Daher rief ich nach dem Schiff, nahm noch zwei andere als Zeugen mit – und als Ruderer – und machte mich auf den dunklen Gewässern des Sees auf die Suche nach Gott. Dann stieg Gott empor, und ich erzitterte vor der Majestät, welche Ös ausstrahlte, und Ös sagte: ‚Was willst du von mir, kleiner Wicht?’ Und ich sammelte allen Mut und antwortete: ‚Deine Kinder wünschen zu erfahren, aus welchem Grund Du ihnen gram bist, und was sie tun müssen, um Deine Gnade wieder zu erlangen.’ Und Gott sagte: ‚Halt ein, ich bin ihnen nicht gram, doch sehr in Gedanken versunken, denn die Zeit vieler Veränderungen und großer Ereignisse rückt näher.’ Dann fragte Ös mich den Katechismus ab wie ich dich, und Ös sprach zu mir … Ös zeigte mir … Wunder … Schrecken … und … und dann ruderten wir zurück, meine Priester und ich, und so geblendet waren wir vom Licht, daß uns die Nacht schwarz und sternenlos erschien.“
    „Was hat Ös dir gesagt …?“ hatte sie zu fragen gewagt.
    „Ich glaube, das wird Ös dir selbst sagen wollen.“
    Sie, sie sollte Gott sehen, zu Gott sprechen, die langsamen, göttlichen Worte von Ös mit eigenen Augen schauen! Sie,

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