Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
dass Basanow und Knjasjew unter Hypnose gehandelt hatten, würde sie das nicht von der Verantwortung für ihre Taten befreien, denn dem Strafgesetzbuch zufolge lag Schuldunfähigkeit nur dann vor, wenn eine Bewusstseinsstörung krankhaften Charakter hatte. Aber ein Mensch, der sich unter Hypnose befand, litt nicht an einer krankhaften Bewusstseinsstörung und war deshalb vom juristischen Standpunkt keinesfalls schuldunfähig. Über dieses Thema mussten noch Dutzende von Dissertationen geschrieben werden, bis man eines Tages ein entsprechendes Gesetz würde verabschieden können. Aber die Verhafteten konnten nicht so lange warten. Über ihr Schicksal musste sofort entschieden werden . . .
Und was konnte man Larkin selbst zur Last legen? Wofür konnte man ihn zur Verantwortung ziehen? Er hatte niemanden getötet, hatte sich den Opfern nicht einmal genähert. Hypnose war nicht beweisbar. Er hatte nichts getan, er hatte einfach nur geredet. Das konnte jeder tun, das war nicht verboten. Larkin hatte einfach eine ganz gewöhnliche psychotherapeutische Sitzung mit einem Klienten durchgeführt, ein Entspannungstraining. War das etwa nicht erlaubt? Auch die Videoaufnahme bedeutete in diesem Zusammenhang nichts. Larkin hatte ein Experiment gemacht, den vertrauensseligen Knjasjew ein bisschen gefoppt. Er hat tatsächlich einen Mord begangen?, würde Larkin sagen. Das ist doch völlig unmöglich. Wen hat er denn umgebracht? Einen Mann aus der Tscherepanow-Straße? Nicht zu fassen! So ein Einfaltspinsel. Ich habe einfach eine x-beliebige Adresse genannt.
Oberst Gordejew und Untersuchungsführer Olschanskij stritten sich mit heiseren Stimmen darüber, was man mit Larkin machen sollte. Michail Dawydowitsch stand unter ständiger Beobachtung, man hätte ihn jederzeit festnehmen können, aber es war völlig unklar, ob das richtig gewesen wäre und wie man bei einer Verhaftung hätte vorgehen sollen. Man hatte nichts gegen ihn in der Hand. Und vermutlich würde man ihn auch nicht zum Sprechen bringen. Angesichts seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten würde wahrscheinlich selbst die klügste und raffinierteste Vernehmungstaktik zu keinem Ergebnis führen.
Schließlich beschloss man, Larkin vorläufig auf freiem Fuß zu lassen.
* * *
»Kommen Sie herein, Pawel Dmitrijewitsch«, sagte Nastja so freundlich wie möglich.
Es war ihr gelungen, ihre Beherrschung wieder zu finden, sie war jetzt völlig ruhig und fühlte sich für das Gespräch mit Pawel gewappnet.
»Sie müssen einen guten Schutzengel haben«, lächelte Sie. »Ich habe Sie also nicht umsonst aus Samara herausgeholt. Es wäre sehr traurig für mich gewesen, wenn man Sie heute umgebracht hätte. Kennen Sie den Mann, der den Mordanschlag auf Sie verübt hat?«
»Nein. Ich habe ihn nie gesehen und nie seinen Namen gehört.«
Nastja sah, dass er nicht log. Und sie sah, dass Sauljak völlig erschöpft war und sich nur mit Mühe auf den Beinen hielt.
»Haben Sie wenigstens einen entfernten Verdacht, wer ihn geschickt hat, in wessen Auftrag er Sie ermorden sollte?«
»Ich habe Ihnen schon gesagt, Anastasija, dass ich nicht unter einem Mangel an Feinden leide.«
»Wundert es Sie nicht, dass sich nun auch Ihr Gönner als einer von ihnen erwiesen hat?«
Sauljak runzelte die Stirn. Sein Blick entzog sich Nastja, wanderte zur Wand über ihrem Kopf, zum Fußboden, zum Fenster.
»Sie irren sich.«
Seine Stimme klang wieder hochmütig, wie damals in Samara, als sie sich gerade kennen gelernt hatten.
»Nein, Pawel Dmitrijewitsch, ich irre mich nicht. General Minajew hat sich mit einem Mittelsmann getroffen. Dieser hat Knjasjew für den Mord an Ihnen ausgesucht und ihn mit einem Revolver in der Tasche zu Ihnen geschickt. Wir sind im Besitz von Bild- und Tonaufnahmen, die das beweisen. Wir sind schließlich keine Götter und keine Hellseher, Pawel, unsere Mitarbeiter sind nicht zufällig in Ihrem Haus gewesen, als Knjasjew dort auftauchte, um Sie umzubringen. Wir haben diesen Mittelsmann beobachtet und wissen deshalb auch von seinem Kontakt zu Minajew. Überzeugt Sie das nicht?«
»Nein. Unser Gespräch ist gegenstandslos geworden, finden Sie nicht?«
Er glaubte ihr also nicht. Oder er hatte sofort begriffen, dass sie die Wahrheit sagte, und wollte es aus irgendeinem Grund nicht zugeben. Natürlich durfte er Anton Andrejewitsch Minajew nicht preisgeben. Die Morde an Malkows Leuten hatten einige Tage nach Pawels Rückkehr nach Moskau begonnen und zwei Tage vor seiner Abreise
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