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anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
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Habe ich irgendwas?« wiederholte Mr. Muir ironisch und brach das Telefongespräch ab. Der Mann sollte nie wieder von ihm hören.
    Noch bedenklicher war, daß Mr. Muir neuerdings keinerlei Interesse an finanziellen Fragen hatte. Er nahm keine Anrufe der Wallstreet-Gentlemen mehr entgegen, die sein Vermögen verwalteten; ihm genügte es nun zu wissen, daß das Geld da war und immer da sein würde, Details zu diesem Thema empfand er nur noch als störend und profan.
    In der dritten Septemberwoche fand die Premiere des Stückes statt, in dem Alissa die zweite Besetzung spielte; es wurde mit überschwenglichen Kritiken bedacht, was auf eine erfreulich lange Laufzeit hoffen ließ. Auch wenn die weibliche Hauptdarstellerin sich bester Gesundheit erfreute und kaum damit zu rechnen war, daß sie eine Vorstellung würde versäumen müssen, sah Alissa sich genötigt, häufig - manchmal für eine ganze Woche - in die Stadt zu fahren. (Was sie dort tat, wie sie sich Tag für Tag, Abend für Abend beschäftigte, wußte Mr. Muir nicht, und er war zu stolz, um sie danach zu fragen.) Wenn sie ihn aufforderte, das Wochenende mit ihr zu verbringen (er könne bei dieser Gelegenheit ja zu seinen Antiquaren gehen, das habe er doch früher so gern gemacht), sagte Mr. Muir schlicht: »Warum? Ich habe hier auf dem Land alles, was ich zu meinem Glück brauche.«
    Seit dem Erstickungsversuch belauerten sich Mr. Muir und Miranda noch wachsamer. Die weiße Katze mied ihn nun nicht mehr, vielmehr hielt sie, wenn er ins Zimmer kam, gleichsam herausfordernd die Stellung. Ging er auf sie zu, wich sie erst im letzten Moment zurück, oft drückte sie sich flach auf den Boden und ringelte sich schlangengleich davon. Wenn er fluchte, bleckte sie fauchend die Zähne. Er lachte laut, um ihr zu zeigen, wie wenig ihn das kümmerte; sie sprang auf einen Schrank, wo er sie nicht greifen konnte, und verfiel in einen seligen Katzenschlaf. Jeden Abend zur vereinbarten Zeit rief Alissa an, jeden Abend erkundigte sie sich nach Miranda. »So schön und gesund wie immer«, antwortete dann Mr. Muir. »Schade, daß du sie nicht sehen kannst.«
    Im Lauf der Zeit wurde Miranda kühner und bedenkenloser - wobei sie womöglich die Reflexe ihres Herrn unterschätzte. Manchmal lief sie ihm unerwartet zwischen die Beine, so daß er fast die Treppe herunterfiel; sogar dann, wenn er eine potentielle Waffe in der Hand hatte - ein Fleischmesser, einen Schürhaken, ein schweres ledergebundenes Buch -, traute sie sich an ihn heran. Ein- oder zweimal sprang sie Mr. Muir sogar, während er allein und gedankenversunken bei Tisch saß, auf den Schoß und von da über den Eßtisch, so daß Schüsseln und Gläser umfielen.
    »Biest!« fuhr er sie an, versuchte sie zu packen und griff in die Luft. »Was willst du von mir?«
    Was mochten wohl die Dienstboten über ihn erzählen, was für Hintertreppengeschichten über ihn verbreiten? Und wieviel davon mochte Alissa in der Stadt davon zu Ohren kommen?
    Eines Abends aber beging Miranda einen taktischen Fehler, und Mr. Muir bekam sie tatsächlich zu fassen. Sie hatte sich in sein Arbeitszimmer geschlichen, wo er bei Lampenlicht über seinen seltensten und kostbarsten Münzen (aus Mesopotamien und Etrurien) saß, und hoffte offenbar darauf, notfalls durch die Tür entkommen zu können. Mr. Muir aber sprang mit fast katzenhafter Behendigkeit auf und trat gegen die Tür, so daß sie zufiel. Und nun gab es eine Jagd! Einen Kampf! Ein Getobe! Mr. Muir fing die Katze ein, verlor sie, fing sie von neuem, verlor sie von neuem; sie kratzte ihm beide Handrücken und das Gesicht blutig; er bekam sie wieder zu fassen, schlug sie gegen die Wand, legte ihr die blutigen Hände um den Hals und drückte zu. Jetzt hatte er sie, keine Macht der Erde konnte ihn dazu bringen, sie wieder loszulassen. Die Katze schrie und kratzte und trat und zappelte und schien in den letzten Zügen zu liegen. Mr. Muir hockte geduckt vor ihr, dicke, sichtbar pochende Adern auf der Stirn. »Jetzt hab ich dich! Jetzt!« Und just in dem Moment, als das Lebenslicht der weißen Perserkatze schon fast erloschen war, wurde die Tür zu Mr. Muirs Arbeitszimmer aufgerissen, einer der Dienstboten stand da, bleich und fassungslos: »Mr. Muir? Was ist denn? Wir hörten ...«, stotterte der Tölpel; und natürlich entschlüpfte Miranda dem gelockerten Griff ihres Herrn und flüchtete.
    Nach diesem Vorfall fand Mr. Muir sich offenbar damit ab, daß so eine Chance nie wiederkehren würde. Es

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