anderbookz Short Story Compilation II
hätte er die Katze mit bloßen Händen erwürgt, nur war er eben nicht der Typ, der so etwas fertigbringt.
Noch irritierender war die Art, wie die Katze ihn in Alltagssituationen ihre Abneigung spüren ließ. Wenn er und Alissa abends - jeder in seiner Sofaecke - beisammensaßen und lasen, sprang Miranda häufig ungebeten auf Alissas Schoß, während sie es geflissentlich vermied, sich von Mr. Muir auch nur anfassen zu lassen. Er spielte den Gekränkten, er spielte den Amüsierten. »Ich habe den Eindruck, daß Miranda mich nicht mehr mag«, klagte er. (Dabei hätte er inzwischen gar nicht sagen können, ob sie ihn überhaupt je gemocht hatte. Als ganz junges Tier vielleicht, das ihre Zärtlichkeiten noch völlig unterschiedslos verteilt hatte?) Alissa, die laut und sinnlich schnurrende Katze auf dem Schoß, lachte und sagte begütigend: »Natürlich mag sie dich, Julius. Aber du weißt doch, wie Katzen sind.«
»Ich lerne dazu.« Mr. Muir lächelte etwas gezwungen.
Doch hätte er das, was er dazulernte, nicht benennen können.
Wie er auf den Gedanken gekommen war, Miranda umzubringen, wußte er später nicht mehr zu sagen. Als er eines Tages mit ansehen mußte, wie sie einem mit seiner Frau befreundeten Regisseur um die Beine strich, sich in einem kleinen Kreis bewundernder Gäste schamlos produzierte (sogar ausgesprochene Katzenfeinde erlagen Mirandas Reizen, streichelten sie, kraulten ihr die Ohren, säuselten blödsinnige Koseworte), ertappte sich Mr. Muir bei dem Gedanken, daß er mit der Katze, die er schließlich aus freien Stücken ins Haus gebracht, für die er eine nicht unbeträchtliche Summe gezahlt hatte, eigentlich nach Belieben verfahren könne. Gewiß, die reinrassige Perserkatze war ein besonders wertvolles Stück in einem Hauswesen, in dem man auf den Erwerb von Besitztümern viel Sorgfalt und nicht eben wenig Geld verwendete, und Alissa liebte sie heiß und innig, letztlich aber gehörte sie Mr. Muir, und folglich war er auch Herr über Mirandas Schicksal.
»Ein bildschönes Tier! Männlich oder weiblich?« fragte einer seiner Gäste (oder vielmehr einer von Alissas Gästen, seit ihrer Rückkehr ans Theater hatte sie einen neuen, ziemlich gemischten Bekanntenkreis), und sekundenlang war er um eine Antwort verlegen. Die Frage ging ihm nach wie ein Rätsel: Männlich oder weiblich? »Weiblich natürlich«, sagte er dann liebenswürdig. »Schließlich heißt sie Miranda.«
Sollte er warten, bis Alissas Proben für das neue Stück angefangen hatten, oder lieber rasch handeln, ehe sein Entschluß wieder ins Wanken kam? (Alissa, eine nicht überragende, aber durchaus angesehene Schauspielerin, war als zweite Besetzung für die weibliche Hauptrolle in einem Broadway-Stück vorgesehen, das im September Premiere hatte). Und wie sollte er es angehen? Erwürgen kam nicht in Frage - ein so rücksichtslos brutales Vorgehen lag ihm nicht -, auch würde er sie kaum wie zufällig überfahren können (obschon das wirklich ein sehr glücklicher Umstand gewesen wäre).
An einem Mittsommerabend, als sich Miranda seidenweichraffiniert auf den Schoß von Alissas neuem Freund geschmeichelt hatte (Alban war Schauspieler, Autor, Regisseur - ein offenbar vielseitig begabter Mensch), kam das Gespräch auf berüchtigte Mordfälle, auf Gifte, und Mr. Muir dachte zufrieden: Natürlich! Gift!
Am nächsten Morgen stöberte er im Schuppen des Gärtners herum, bis er den Zehn-Pfund-Sack mit körnigweißem Pulver, ein sogenanntes »Nagergift«, gefunden hatte oder vielmehr das, was davon übriggeblieben war. Im Herbst hatten sie eine Mäuseplage gehabt, und der Gärtner hatte auf dem Dachboden und im Keller Giftfallen ausgelegt. (Offenbar mit bestem Erfolg, denn die Mäuse waren verschwunden.) Das Raffinierte an diesem Gift war, daß es rasenden Durst verursachte, so daß die Tiere nach Verzehr des vergifteten Köders auf der Suche nach Wasser das Haus verließen und draußen verendeten. Ob das Gift »schnell und schmerzlos« wirkte, entzog sich Mr. Muirs Kenntnis.
Zur Ausführung seines Planes bot sich der Sonntagabend an; die Dienstboten hatten frei, und Alissa war, obwohl die Proben noch nicht angefangen hatten, auf ein paar Tage in die Stadt gefahren. Mr. Muir fütterte Miranda in ihrer gewohnten Küchenecke, nachdem er unter ihr übliches Fressen einen gehäuften Teelöffel Gift gemischt hatte. (Sie war wirklich ein verwöhntes Vieh! Seit sie mit sieben Wochen ins Haus gekommen war, bekam Miranda ein protein- und
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