anderbookz Short Story Compilation II
Katze Mr. Muir aus dem Wege - nicht mehr lässig-gleichmütig wie früher, sondern ganz geflissentlich und deutlich des Wandels ihrer Beziehung bewußt. Daß er versucht hatte, sie umzubringen, konnte sie natürlich nicht wissen, möglicherweise aber spürte sie es. Vielleicht hatte sie sich im Buschwerk an der Straße versteckt und gesehen, wie er ihre unglückliche Doppelgängerin überfahren hatte ...
Das war ziemlich, ja, es war im Grunde ganz und gar unwahrscheinlich, wie Mr. Muir sehr wohl wußte. Wie sonst aber hätte er sich ihr Verhalten, ihre unmißverständlich zur Schau gestellte oder zumindest simulierte animalische Furcht erklären sollen? Den jähen Satz auf einen Schrank, wenn er ins Zimmer kam; den Sprung auf den Kaminsims (wobei sie wie in voller Absicht eine seiner geschnitzten Jadefiguren herunterwarf, die in tausend Stücke zerbrach); die ungraziöse Rutschpartie durch eine offene Tür, wobei die spitzen Zehennägel auf dem Parkettboden klickten. Näherte er sich ihr draußen, kletterte sie geräuschvoll an einem der Rosenspaliere, an der Weinlaube oder an einem Baum hoch oder flüchtete wie gehetzt ins Unterholz. Alissa staunte immer wieder über dieses scheinbar sinnlose Verhalten. »Was meinst du, ob Miranda krank ist?« fragte sie. »Sollen wir mit ihr zum Tierarzt gehen?« »Ich weiß nicht recht, ob sie sich dazu einfangen läßt«, sagte Mr. Muir beklommen. »Oder ob ich mir zutraue, sie dazu einzufangen ...«
In diesem Moment hätte er Alissa am liebsten das Verbrechen - oder das versuchte Verbrechen - gebeichtet: Er hatte die verhaßte Kreatur umgebracht - und sie war nicht gestorben.
Eines Abends Ende August träumte Mr. Muir von frei im Raum schwebenden glühenden Augen. Und inmitten dieser Augen, altmodischen Schlüssellöchern gleich, die nachtschwarze Iris - Pforten ins Nichts. Er konnte sich nicht rühren, nicht wehren. Ein warmes, pelziges Gewicht legte sich genüßlich auf seine Brust und dann auf sein Gesicht. Die schnurrhaarbewehrte weiße Schnauze berührte in einem diabolischen Kuß seinen Mund, nahm ihm den Atem ...
»Nein ... nein! Hilfe! O Gott ...«
Die feuchte Schnauze an seinem Mund, die ihm den Atem raubte ... Keine Möglichkeit, ihr zu entkommen ... Arme wie Blei, der ganze Körper wie gelähmt ...
»Hilfe ... Hilfe! «
Von seinen Hilferufen, seinen hektischen Bewegungen wachte er auf. Obschon ihm sogleich klar war, daß er geträumt haben mußte, ging sein Atem noch immer flach und schnell, sein Herz hämmerte so heftig, daß er glaubte sterben zu müssen. Hatte nicht erst neulich sein Arzt ihn ernsthaft auf eine beginnende Herzschwäche, die Möglichkeit eines Herzstillstandes hingewiesen? Und war es nicht sonderbar, daß er noch nie einen so hohen Blutdruck gehabt hatte?
Mr. Muir wälzte sich aus dem feuchten, zerwühlten Bett und machte mit zitternden Händen Licht. Wie gut, daß er allein war, daß Alissa diese neueste Nervenkrise nicht miterlebt hatte.
»Miranda?« flüsterte er. »Bist du da?«
Er schaltete eine Deckenlampe ein. Das Schlafzimmer war voll flüchtiger Schatten und ihm in diesem Augenblick vollkommen fremd.
»Miranda?«
Dieses raffinierte, verderbte Geschöpf, diese elende Kreatur! Die Vorstellung, daß die kätzische Schnauze seine Lippen berührt hatte, die Schnauze eines Tieres, das Mäuse und Ratten fraß, unaussprechliche schmutzige Dinge draußen im Wald ... Mr. Muir ging ins Badezimmer und spülte sich den Mund aus, wobei er sich gut zuredete: Es war schließlich nur ein Traum und die Katze eine Phantasmagorie, und natürlich war Miranda nicht hier im Zimmer.
Und doch ... ihr Gewicht hatte warm, pelzig, unverkennbar auf seiner Brust gelegen. Sie hatte versucht, ihm den Atem zu rauben, ihn zu erwürgen, zu ersticken, sein armes Herz anzuhalten. Es lag in ihrer Macht. »Nur ein Traum«, sagte Mr. Muir laut und lächelte seinem Spiegelbild bläßlich zu. (Kaum zu glauben, daß diese bleiche, elende Gestalt er selbst sein sollte ...) Lauter und in wissenschaftlich präzisem Ton wiederholte Mr. Muir: »Ein törichter Traum. Ein Traum, wie Kinder ihn träumen. Oder Frauen.«
Als er wieder in seinem Zimmer war, hatte er das flüchtige Gefühl, daß irgend etwas unbestimmt Weißes unter sein Bett huschte. Er hockte sich hin und sah nach, fand aber natürlich nichts.
Auf dem hochflorigen Teppich aber fand er Katzenhaare. Weiße, feste Haare - unverkennbar aus Mirandas Fell. »Das ist der Beweis«, sagte er erregt. Ein paar verstreute
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