Anderer Welten Kind (German Edition)
dankbar. Er nahm sich einfach vor, nicht mehr zu glauben. Diese Entscheidung war endgültig und für ihn richtig gewesen und er hatte staunend festgestellt, dass es Dinge gab, die nur ihn angingen und die mit niemandem wegen ihrer Privatheit geteilt werden konnten. So ähnlich fühlte er sich, als er seinen Entschluss fasste, Malskat kennenzulernen.
Die Feuchtigkeit kroch klamm und kalt den Rücken hoch und ließ ihn frösteln. Er war versucht, auf der Stelle zu hüpfen, unterdrückte den Impuls und gab sich noch zehn Minuten. Warten machte ihn nicht ungeduldig. Er strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, die ihm nass auf der Stirn klebte. Er trug seine dunkelbraunen Haare an den Seiten kurz, der Nacken war ausrasiert, und das Auffälligste an seiner Frisur war sein verwuselter Scheitel, sodass die Haare nicht gleichmäßig in eine Richtung fielen, was ihm einen jungenhaften Zug verlieh, der seltsam kontrastierend seinem ovalen Gesicht mit der hervorspringenden Nase und dem schmalen Mund die Schärfe nahm. Er schaute sich um. Nichts regte sich. Um ihn herum waren selbst die kleinen blubbernden Geräusche der Luftblasen am sumpfigen, schilfbewachsenen Ufer verstummt und als er den rechten Fuß hob, der sich mit einem Schmatzen von der dunklen, nassen Erde löste, schien ihm das Geräusch erschreckend laut, sodass er sofort einen Blick auf die Haustür in der Erwartung warf, der Lärm hätte jemanden aufgeweckt.
Da sah er aus den Augenwinkeln, dass das Ruderboot nicht an seinem Platz lag. Wieso war ihm das nicht sofort aufgefallen? Es lag doch bisher immer dort. Verwundert schüttelte er den Kopf. Deshalb war ihm der Ort heute so anders vorgekommen. Einsamer, verlassener, unbewohnter. Die verschlossene Front des Hauses verstärkte diesen Eindruck noch. Gleichzeitig schlich sich der Gedanke ein, das Haus könnte für immer leer sein, und je mehr Christian diese Möglichkeit zuließ, desto deutlicher spürt er eine Art Verzweiflung, die sich seiner bemächtigte. Er hatte nichts erreicht. Alles war umsonst gewesen, eine fixe Idee, eine blöde Fantasterei. Eigentlich sollte er froh sein, es hätte eh nichts gebracht. Warum sollte Malskat ausgerechnet an ihm Interesse finden? Zum Glück hatte er niemandem etwas gesagt, es wäre aufgenommen worden, als wenn er sich wichtig machen wollte. So leicht ließ sich seine Enttäuschung aber nicht besänftigen. Sie begann sich im Gegenteil auszubreiten, wie Tinte, von einem Löschblatt aufgesogen, sie forcierte seinen Herzschlag, ließ ihn zusammenzucken, den Kopf wegdrehen, als wenn es galt, eine lästige Erinnerung abzuschütteln, gewann Raum und beherrschte schließlich seine Gedankenwelt, ein Entrinnen war ihm nicht mehr vergönnt.
Seit einigen Wochen nun schon war er gefangen von der Idee, dem Maler zu begegnen. Wie viel Zeit hatte er damit verbracht, sich die unterschiedlichsten Szenarien einer Begegnung auszumalen. Die Freundschaft zu Stefan hatte gelitten, weil es für Stefan so schien, als wenn der Freund sich zurückzöge, und er begann, seine eigenen Unzulänglichkeiten dafür verantwortlich zu machen, obwohl Christian ihm zu versichern versuchte, dass seine häufigen Absagen an gemeinsame Unternehmungen nichts mit ihrer Freundschaft zu tun hätten. Also vermutete Stefan eine Freundin hinter Christians Geheimniskrämerei und er begann neidisch auf den Freund zu blicken. Er konnte seine Enttäuschung darüber nicht verhehlen, dass er offensichtlich nicht mehr in der vertrauten Stellung des besten Freundes die Geheimnisse teilte. Einmal fragte er ihn, ob er wegen Helga Korten, von der er wusste, dass sie mit Christian angebändelt hatte, so wenig Zeit hätte. Aber Christian hatte so entschieden abgewinkt, dass Stefan gar nicht mehr wusste, woran er sich halten sollte. Er zog sich nun seinerseits zurück.
Christian hatte es immer eilig gehabt, in den Wald zu kommen. Selbst das Rudertraining in der Vereinsmannschaft hatte er vernachlässigt und Ausflüchte gesucht, wenn das Training auf dem Plan stand, sehr zum Ärger seiner vier Mannschaftskameraden Klaus, Jürgen, Wolle und Siggi, dem kleinen Steuermann. Gut, die Saison war zu Ende; es standen keine Rennen mehr an. Trotzdem hatte Henze darauf gedrungen, schon frühzeitig mit dem Wintertraining zu beginnen, um optimal auf die neue Saison mit den Zielen Stadtmeisterschaft, Landesauswahl und Teilnahme seines Jugendvierers an den Endkämpfen in Berlin vorbereitet zu sein.
Anstelle des Gewichtstrainings stand er jetzt hier
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