ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition)
ihretwegen da, und der Herrenhof war dazu da, daß sie gekocht werden und auf eine silberne Schüssel gelegt werden konnten.
Sie lebten nun sehr einsam und glücklich, und da sie selbst keine Kinder hatten, hatten sie eine kleine gewöhnliche zu sich genommen, die sie wie ihr eigenes Kind aufzogen. Aber der Kleine wollte nicht wachsen, denn er war gewöhnlich. Aber die Alten, besonders die Mutter, die Schneckenmutter, meinte doch zu bemerken, daß er zunahm, und sie bat Vater, wenn er es nicht sehen könne, so möge er nur das kleine Schneckenhaus anfühlen. Und dann fühlte er und fand, daß Mutter recht habe.
Eines Tages war starker Regen.
"Hör, wie es tromme-romme-rommelt auf den Klettenblättern." sagte der Schneckenvater.
"Da kommen auch schon die Tropfen" sagte die Schneckenmutter. "Das lauft ja gerade am Stiel herunter. Du wirst sehen, es wird hier naß. Ich bin froh, daß wir unser gutes Haus haben und der Kleine auch. Für uns ist wirklich mehr gesorgt worden, wie für alle anderen Geschöpfe; man kann daraus erkennen, daß wir die Herren der Welt sind. Wir haben von der Geburt an ein Haus, und der Klettenwald ist unseretwegen gesät. Ich möchte wissen, wie weit er sich erstreckt und was außerhalb desselben ist."
"Außerhalb desselben ist nichts" sagte der Schneckenvater. "Besser als bei uns kann es nirgends sein, und ich wüßte nicht, was ich mir anderes wünschen sollte."
"Ja," sagte Mutter, "ich möchte wohl auf den Herrenhof kommen, gekocht und auf eine silberne Schüssel gelegt werden. Das ist allen unseren Vorfahren geschehen, und Du kannst glauben, daß es etwas ganz Besondere für sich hat."
"Der Herrenhof ist möglicherweise eingestürzt." sagte der Schneckenvater. "Oder der Klettenwald ist darüber hinweggewachsen, daß die Menschen nicht mehr herauskommen können. Es hat ja auch keine Eile, aber Du hastest immer so entsetzlich, und der Kleine fängt auch schon damit an. Ist er nicht jetzt drei Tage lang allein den Stiel hinaufgekrochen? Mir wird ganz schwindlig im Kopfe, wenn ich zu ihm hinausehe!"
"Du mußt nicht schelten," sagte die Schneckenmutter, "er kriecht so besonnen, wir werden noch unsere Freude an ihm erleben, wir haben doch nichts, für was wir sonst leben könnten! Aber hast Du schon daran gedacht, wo bekommen wir eine Frau für ihn her? Glaubst Du nicht, weiter hinten im Klettenwalde könnte noch jemand von unserem Geschlecht sein?"
"Schwarze Schnecken, glaube ich, werden wohl da sein," sagte der Alte. "Schwarze Schnecken ohne Haus. Aber das ist niedriges Volk und ist trotzdem noch eingebildet. Aber wir könnten ja die Ameisen damit beantragen; sie laufen immer hin und her, als ob sie etwas zu tun hätten, die wissen sicherlich eine Frau für unsern Kleinen."
"Ich weiß freilich die allerschönste," sagten die Ameisen, "aber ich fürchte, es wird nicht angehen, denn sie ist eine Königin."
"Das tut nichts!" sagte der Alte. "Hat sie ein Haus?"
"Sie hat ein Schloß" sagten die Ameisen, "das herrlichste Ameisenschloß mit siebenhundert Gängen."
"Danke schön." sagte die Schneckenmutter, "unser Sohn soll nicht in einen Ameisenhaufen! Wißt Ihr nichts Besseres, dann geben wir den Auftrag an die weißen Mücken, die fliegen weit umher in Regen und Sonnenschein, und sie kennen den Klettenwald inwendig und auswendig."
"Wir haben eine Frau für ihn" sagten die Mücken. "Hundert Menschenschritte weit von hier sitzt auf einem Stachelbeerstrauch eine kleine Schnecke mit Haus. Sie steht ganz allein und ist alt genug, um sich zu verheiraten. Es ist nur hundert Menschenschritte von hier!"
"Ja, laßt sie zu ihm kommen!" sagten die Alten. "Er hat einen Klettenwald, sie hat nur einen Strauch!"
Und so holten sie das kleine Schneckenfräulein. Es dauerte acht Tage, ehe sie ankam. Aber das war gerade das Hübsche daran. Da konnte man doch sehen, daß sie aus guter Familie war.
Dann hielten sie Hochzeit. Sechs Johanneswürmchen leuchteten so schön sie konnten. Sonst wurde es in aller Stille abgemacht, denn die alten Schnecken konnten das Schwärmen und die taute Fröhlichkeit nicht vertragen! Aber eine herrliche Rede wurde von der Schneckenmutter gehalten. Der Vater konnte nicht, er war so bewegt. Und dann gaben sie ihnen den ganzen Klettenwald zum Erbe und sagten, was sie immer gesagt hatten, daß dies das beste in der Welt sei, und wenn sie redlich und gesittet lebten und sich vermehrten, würden einmal sie und
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