ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition)
Königskrone auf dem Haupte, und er streckte sein goldenes Zepter über das Land.
Die Knie beugten die Heiden an Pommerns Küste, als die dänischen Schwäne mit der Fahne des Kreuzes und gezogenem Schwerte kamen.
"Das war in lang vergangenen Tagen" sagst Du.
Auch näher unserer Zeit sah man mächtige Schwäne uns dem Neste fliegen.
Es leuchtete durch die Luft, es leuchtete weit über die Länder der Welt; der Schwan teilte mit mächtigem Schwingenschlag die dämmernden Nebel und der Sternenhimmel wurde deutlicher sichtbar, es war als rücke er der Erde näher; das war der Schwan Tycho Brahe.
"Ja, damals!" sagst Du, "aber jetzt in unseren Tagen." Da sahen wir Schwan auf Schwan in herrlichem Fluge dahinfliegen. Einer ließ seine Flügel über die Goldharfe hingleiten, und es klang durch den Norden. Norwegens Felsen erhoben sich höher im Sonnenlichte der Vorzeit; es sauste in Birke und Tanne; die Götter des Nordens, Helden und edle Frauen zeigten sich im tiefen, dunklen Waldesgrunde.
Wir sahen einen Schwan mit den Schwingen gegen den Marmorfelsen schlagen, daß der Felsen barst, und die im Gestein gebundenen Gestalten der Schönheit schritten in den sonnenlichten Tag hervor und die Menschen ringsum in den Ländern erhoben ihr Haupt um diese mächtigen Gestalten zu sehen.
Einen dritten Schwan sahen wir einen Gedankenfaden spannen, der nun von Land zu Land rings um die Erde reicht, so daß das Wort mit des Blitzes Geschwindigkeit durch die Länder fliegt.
Unser Herrgott hat das alte Schwanennest zwischen Ostsee und Nordsee lieb. Laß die mächtigen Vögel nur durch die Lüfte kommen, um es niederzureißen: "Das soll nicht geschehen!" Selbst die federlosen Jungen stellen sich im Kreise um des Nestes Rand, das haben wir gesehen, sie lassen sich in die junge Brust hacken, daß ihr Blut fließt, sie schlagen mit Schnabel und Klauen.
Jahrhunderte werden noch vergehen, die Schwäne fliegen vom Neste, gesehen und gehört von aller Welt, bevor die Zeit kommen wird, daß in Geist und Wahrheit gesagt werden kann: "Das ist der letzte Schwan, der letzte Sang vom Schwanenneste."
Das Wichtelmännchen und der Höker
Es war einmal ein richtiger Student; er wohnte in der Dachkammer und besaß nichts. Und es war ein richtiger Höker, er wohnte im Parterre und besaß das ganze Haus, und zu ihm hielt sich das Wichtelmännchen, denn hier bekam es jeden Weihnachtsabend seine Schüssel Grütze mit einem großen Klumpen Butter darin! Das konnte der Höker geben; und das Wichtelmännchen blieb im Laden, das war recht lehrreich.
Eines Tages kam der Student durch die Hintertür, um in eigener Person sein Licht und seinen Käse einzukaufen. Er hatte niemand zum Schicken und deshalb ging er selbst. Er bekam, was er verlangte, er bezahlte es und der Höker und seine Frau nickten ihm Guten Abend zu. Das war eine Frau, die mehr konnte als nicken, sie hatte Redegaben. - Und der Student nickte auch, blieb aber stehen und las ganz vertieft in dem Blatt Papier, das um den Käse gewickelt war. Es war ein Blatt, aus einem alten Buche gerissen, das nicht hätte in Stücke zerrissen werden dürfen, denn es war ein altes Buch voller Poesie.
"Da liegt noch mehr davon" sagte der Höker, "ich gab einer alten Frau ein paar Kaffeebohnen dafür; wenn Sie mir dafür acht Schilling geben wollen, sollen Sie den Rest haben."
"Schönen Dank!" sagte der Student, "geben Sie es mir anstelle des Käse! Ich kann heute Abend unbelegtes Butterbrot essen! Es wäre ja sündhaft, wenn das ganze Buch entzwei gerissen werden sollte. Sie sind ein prächtiger Mann, ein praktischer Mann, aber auf Poesie verstehen Sie sich nicht mehr, als diese Bütte hier."
Das war unartig gesagt, besonders gegen die Bütte, doch der Höker lachte und der Student lachte, denn es war ja halb im Scherze gesagt. Aber das Wichtelmännchen ärgerte sich, daß man solche Dinge einem Höker sagen durfte, der Hauswirt war und die beste Butter verkaufte.
Als es Nacht wurde, der Laden geschlossen und alle zu Bette gegangen waren bis auf den Studenten, ging das Wichtelmännchen hinein und nahm das Maulwerk der Hökersfrau, sie brauchte es ja nicht, während sie schlief. Wo in der Stube er es auf einen Gegenstand setzte, bekam dieser Sprache und konnte seine Gedanken und Gefühlen ebensogut aussprechen wie die Frau; aber nicht mehr als einer konnte es auf einmal haben, und das war ein Segen, denn sonst wären sie sich gegenseitig
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