Song of Blood (German Edition)
Nachtwölfe zogen ihr Vorhaben durch …
Die Hayabusa raste auf den LKW zu. Gleich würde er in den Tankauflieger mit dem Heizöl einschlagen. Far schlug das Herz bis zum Hals.
Er würde nicht kneifen … Zur Hölle! Aber genau das tat er gerade. Er zog vor dem Leben, vor Songlian und vor allem vor Bhreac den Schwanz ein. Wollte er wirklich als Feigling sterben? Rechtzeitiges Bremsen oder Ausweichen war nicht mehr möglich. Im Bruchteil einer Sekunde traf Far eine Entscheidung. Er ließ den Lenker der Hayabusa los und warf sich seitwärts von seinem Motorrad. Den Kopf mit den Armen schützend – das hatte er bei den Nachtwölfen gründlich gelernt – schlug er auf der Straße auf. Sein Schrei ging in dem Krachen unter, in dem die Hayabusa gegen den Heizöltransporter donnerte. Die Wucht des Aufpralls raubte Far beinahe den Verstand und schleuderte ihn aus der Reichweite des aufblühenden Feuerballs, in den sich sein Motorrad verwandelte. Mit wirbelnden Armen und Beinen schlitterte er quer über die Straße, die durch das ausgelaufene Heizöl rutschig geworden war. Das dicke Leder seiner Motorradkluft verhinderte, dass er bei lebendigem Leibe gehäutet wurde, aber Far hörte nur zu deutlich das Bersten von Knochen. Seiner Knochen! Der lähmende Schmerz kam einen Herzschlag später.
Krüppel, fuhr es ihm durch den Sinn, ehe er mit dem Kopf gegen den Rinnstein schlug. Sofort bedeckte Blut sein Gesicht. Hinter ihm schlugen Flammen in die Höhe. Er konnte die Hitze in seinem Rücken spüren. Bevor er zum tödlichen Duell mit dem LKW angetreten war, hatte er das Ventil des Tanks aufgedreht. Ein bisschen nur, gerade ausreichend, damit ein feiner Strahl Öl auslaufen konnte. Er hatte sichergehen wollen, dass er wirklich krepierte. Jetzt drang ihm der beißende Gestank des Heizöls in die Nase, denn er lag in einer größeren Pfütze, die sich im Rinnstein gesammelt hatte. Blaue Flammen näherten sich ihm. Far stöhnte vor Schmerz und begann zu kriechen. Schwarze Pfoten tänzelten neben ihm und ein lautes Miauen übertönte das Knistern der Flammen. Er sackte vor Qual keuchend zusammen, aber die spitzen Krallen, die sich in seine Haut bohrten, schreckten ihn wieder auf. Schweiß und Blut liefen ihm über die Wangen und die Stirn. Seine Sicht verschwamm. Die Straße hinter ihm hatte sich in eine Hölle aus brennendem Öl und kochendem Asphalt verwandelt und er war ein einziger Schmerz, ein einziger Schmerz, ein … Er konnte nicht mehr.
Mit einer gezierten Bewegung schmiegte sich die hagere Katze zwischen seine ausgestreckten Arme.
***
„Voilà, Monsieur, die Zeitung.“ Der Butler reichte dem jungen Mann den New Yorker Express.
„Kann ich noch etwas für Monsieur tun?“, erkundigte sich der ältere Herr in dem tadellosen schwarzen Anzug freundlich.
„Einen Café au lait, Baptiste.“
„Sehr wohl, Monsieur.“ Während sich der Butler mit würdevoller Eleganz entfernte, legte er sich die Zeitung auf seinen Bauch und schlug gemütlich die Beine übereinander. Sein Gesicht hielt er der wärmenden Sonne entgegen, denn den Schutz des Sonnenschirms auf der Terrasse hatte er verschmäht.
„Du wirst einen Sonnenbrand bekommen, mon ami“, hörte er die Stimme von Mathis.
„Das mag sein, aber wenigstens zerfalle ich nicht zu Staub.“ Sie kicherten beide wie vergnügte kleine Jungs.
„Komm trotzdem an meine Seite, Florean. Ich habe viel zu viele Jahre auf deine Gesellschaft verzichten müssen“, bat Mathis, der lieber im Schatten unter dem Schirm lag. Was seine milchweiße Haut anging, war Mathis unheimlich eitel.
„Wie lange ist es doch gleich her?“
Florean zuckte mit den Schultern, was etwas komisch anmuten musste, da er die Zeitung unter dem Arm klemmen hatte und seinen Liegestuhl neben den von Mathis zog.
„Fünfzig Jahre sind es bestimmt“, antwortete er etwas verspätet und ließ sich mit einem zufriedenen Seufzer auf der gemütlichen Liege nieder.
„Mon Dieu, viel zu lange. Wie konnte das passieren?“, murmelte Mathis betroffen und nahm Floreans Hand, um sie kurz zu drücken. Florean lachte amüsiert auf.
„Sei ehrlich, Mathis. Du hast mich ja gar nicht vermisst. Als ob es ausgerechnet dir an Gesellschaft gemangelt hätte. Kaum bin ich hier, stellst du mir Cecile, Minou, Michelle und Amelie vor. Die erwecken in mir nicht gerade den Eindruck langweilig zu sein.“
„Ich habe nicht behauptet, dass mir langweilig gewesen wäre, wenn ich dich auch vermisst habe“, stellte
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