Schatten der Zitadelle (German Edition)
II. Menschendorf
„Theta! Theta, komm zurück!“, rief er.
Die Bärendame rannte in Richtung des verdunkelten Himmels.
„Wir wissen doch überhaupt nicht, was da los ist!“
Aber sie eilte unbeirrt weiter. Broxx wollte sie in ihrer Neugier nicht alleine lassen, also folgte er ihr so schnell er konnte, doch ihr Vorsprung war schon groß und er konnte nur langsam aufholen, denn sie bewegte sich flink.
Plötzlich war sie losgerannt und er hatte keinen blassen Schimmer, was in sie gefahren war. Es musste etwas mit der seltsamen Dunkelheit am Horizont zu tun haben.
Nachdem er einige Minuten hinter ihr her geeilt war, gelangte er in ein Dorf – oder was einmal ein Dorf gewesen sein musste. Thetas Spur hatte er mittlerweile verloren.
Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn abrupt anhalten und ein flaues Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Irgendetwas hatte den Ort vollkommen verwüstet. Sein Blick schweifte über ein Haus, dessen Garten zertrampelt und dessen Tür aus den Angeln gehoben war. Bei einem anderen Gebäude klaffte ein großes Loch in der Mauer. Die Möbel waren herausgezerrt worden und lagen nun auf der Straße, anscheinend ein Raubüberfall. In der Ferne glühten rote Flammen und Rauch wand sich in mächtigen Säulen gen Himmel.
Er verlangsamte seinen Schritt und beobachtete alarmiert die Umgebung. Eine Tür knarzte, als sie vom Wind bewegt wurde.
Aufmerksam schlich er weiter durch die tote Stadt. Hinter jeder Ecke konnte etwas lauern, das ihm nach dem Leben trachtete. Nur der Gedanke, Theta zu verlieren, trieb ihn an.
Von Weitem erblickte er ein großes Gebäude mit halbrunden Fenstern, das sich durch seine Höhe und die prunkvollen Verzierungen als Rathaus kennzeichnete. In der Hoffnung, sich einen besseren Überlick über das Örtchen verschaffen zu können, beschloss er, auf dessen Glockenturm zu klettern.
Als er den Dorfplatz erreichte, wandte er sich sofort angewidert ab, richtete seinen Blick aber nach wenigen Sekunden in einem Anflug von makaberer Faszination wieder auf das abscheuliche Bild. Auf einen großen Haufen geschichtet lagen die verwesenden Leichen der Dorfbewohner. Weder Frauen, noch Kinder waren verschont worden. Er konnte eine Frau mit ihrem Kind fest an sich geschmiegt erkennen – die Klinge glitt ihr durch den Bauch, während sie es gestillt hatte.
Angewidert spuckte er aus. Wer konnte unschuldigen Dorfbewohnern so etwas Grausames antun? Wütend und fassungslos zwang er sich, wieder nach der Bärendame Ausschau zu halten.
Er verstand noch immer nicht, warum sie überhaupt fort gelaufen war, denn das sah ihr so gar nicht ähnlich. Eigentlich war sie ein äußerst ruhiges Tier. Schon als Kind hatte sie sich zwar an den vielen wundersamen Vorgängen der Natur erfreut, doch anders als man vielleicht erwarten könnte, war sie nicht wild umher getollt, sondern hatte immer alles mit gebührendem Respekt in sicherer Entfernung betrachtet.
Damals waren die Zeiten für uns noch ruhiger. Und wie groß sie seitdem geworden ist
, dachte Broxx, während er auf den Turm des Rathauses kletterte. Es bedeutete keine große Anstrengung für ihn, denn Klettern war er durch sein Leben in der Wildnis gewohnt.
Als er oben angekommen war, konnte er mit seinen scharfen Augen erst das ganze Ausmaß der Verwüstung überblicken. Das Dorf maß nicht wenige Einwohner, aber dennoch war beinahe jedes Haus ausgeraubt, zerstört oder stand in Flammen.
Aber auf dem Platz sind zu wenig tote Dorfbewohner für so einen großen Ort. Was ist mit den Anderen geschehen?
Er blickte in Richtung des dunklen Flecks am Himmel. Von hier aus konnte er Theta zwar auch nicht finden, aber wesentlich besser erkennen, was die Ursache für das seltsame Phänomen war. Er kniff die Augen zusammen, um genauer sehen zu können und glaubte, ein großes Gebäude am Himmel auszumachen.
Die ganze Situation wurde ihm immer unbehaglicher. Ein komplett zerstörtes Dorf, Tethas plötzliches Verschwinden und ein in der Luft schwebendes Gebäude.
Das riecht nach Ärger.
Behände schwang er sich wieder vom Dach des Gebäudes und landete unversehrt auf dem Boden. Eine alte Kunst seines Volkes, der Mor'grosh. Es hatte nicht nur Vorteile, ein Halbork zu sein, aber das gehörte mit Sicherheit dazu.
Eilends sprintete er zu dem merkwürdigen Objekt, dem er die Verantwortung für die seltsamen Geschehnisse zuschrieb.
Als er näher kam, wurden immer mehr Details dieses zitadellenähnlichen
Weitere Kostenlose Bücher