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ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition)

ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition)

Titel: ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Christian Andersen , H.C. Andersen
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ihnen, daß man, eben wie man durch das Erschaffene zu der Erkenntnis Gottes, so durch die Menschen selbst zur Erkenntnis gelange, daß ein solcher Edelstein sich finden müsse. Mehr konnte er darüber nicht sagen, mehr wußte er nicht. Diese Erzählung wäre nun für andere Kinder schwer zu begreifen gewesen, aber diese Kinder verstanden sie, und später wird das Verständnis wohl auch für die anderen kommen.
     
    Sie befragten den Vater nach dem Schönen, Wahren und Guten, und er erklärte es ihnen; vieles sagte er ihnen, sagte ihnen auch, daß Gott, als er den Menschen aus Erde erschuf, seinem Geschöpfe fünf Küsse, Feuerküsse, Herzensküsse, innige Gottesküsse gab, und diese gaben ihm das, was wir jetzt die fünf Sinne nennen. Durch sie wird das Schöne, Wahre und Gute sichtbar, fühlbar und erkennbar, durch sie wird es geschätzt, beschirmt und gefördert.
     
    Darüber dachten die Kinder nun viel nach, Tag und Nacht beschäftigte es ihre Gedanken; da träumte der älteste der Brüder einen herrlichen Traum, und seltsam genug, der zweite Bruder träumte ihn auch, und der dritte träumte ihn und der vierte. Jeder von ihnen träumte ein und dasselbe. Er träumte, daß er in die Welt zöge und den Stein der Weisen fände. Wie eine leuchtende Flamme erstrahlte er auf seiner Stirn, als er im Morgenschimmer auf seinem pfeilschnellen Roß zurück über die samtgrünen Wiesen im Garten der Heimat zu seinem väterlichen Schlosse ritt, und der Edelstein wärfe ein so himmlisches Licht, einen solchen Glanz über die Blätter des Buches, daß sichtbar wurde, was dort geschrieben stand über das Leben jenseits des Grabes. Die Schwester träumte nicht davon. In die weite Welt hinaus zu ziehen, kam ihr nicht in den Sinn, ihre Welt war ihres Vaters Haus.
     
    "Ich reite in die weite Welt hinaus!" sagte der Älteste; "erproben muß ich doch einmal ihren Gang und mich zwischen den Menschen umhertummeln; nur das Gute und Wahre will ich, mit diesem werde ich das Schöne beschützen. Vieles soll anders werden, wenn ich mich seiner annehme!" Ja, er dachte kühn und groß, wie wir alle es in unserer Ofenecke tun, ehe wir in die Welt hinauskommen und Regen und Sturm und Dornen zu fühlen bekommen.
     
    Die fünf Sinne waren innerlich und äußerlich, bei ihm wie auch bei den anderen Brüdern, außergewöhnlich fein entwickelt, aber jeder von ihnen hatte in Sonderheit einen Sinn, der in Stärke und Entwicklung die anderen weit übertraf. Bei dem Ältesten war es das Gesicht, das ihm besonders zugute kommen sollte. Er hatte Augen für alle Zeiten, sagte er selbst, Augen für alle Völkerschaften, Augen, die bis unter die Erde hinab, wo die Schätze lagen, und bis in die tiefste Tiefe der Menschenbrust sehen konnten, als sei nur eine gläserne Scheibe darüber - das heißt, er sah mehr, als wir beim Erröten und Erbleichen der Wange, im Lächeln und Weinen des Auges sehen können. - Hirsch und Antilope begleiteten ihn bis an die Grenze nach Westen, dort kamen wilde Schwäne, die nach Nordwesten flogen, und ihnen folgte er. Nun war er in der weiten Welt, fern dem Lande des Vaters, das sich "gegen Osten am Ende der Welt" erstreckte.
     
    Hei, wie er die Augen aufriß. Da gab es vieles zu sehen; es ist immer etwas anderes, die Orte und Dinge selbst zu sehen, als sie in Bildern zu erfassen, mögen diese auch noch so gut sein, und sie waren außergewöhnlich gut, die Bilder daheim in seines Vaters Schloß. Er war nahe daran, gleich im ersten Augenblick beide Augen vor Verwunderung über all das Gerümpel, den Fastnachtsaufputz, der als das Schöne hingestellt wurde, zu verlieren, aber er verlor sie nicht, er hatte eine andere Bestimmung für sie.
     
    Gründlich und ehrlich wollte er bei der Erkenntnis des Schönen, des Wahren und des Guten zu Werke gehen; aber wie stand es damit? Er sah, wie oft das Häßliche die Krone errang, wo das Schöne sie verdiente, wie das Gute nicht bemerkt wurde und die Mittelmäßigkeit an seiner Stelle die Bewunderung einheimste. Die Leute sahen wohl die Verpackung, aber nicht den Inhalt, sahen das Kleid, aber nicht den Mann, sahen den Ruf, aber nicht die Berufung. Aber das ist einmal so.
     
    "Da werde ich wohl tüchtig zupacken müssen!" dachte er, und er packte zu. Aber während er das Wahre suchte, kam der Teufel, der Vater der Lüge und die Lüge selbst. Gern hätte er dem Seher gleich beide Augen ausgeschlagen, aber das wäre zu grob gewesen; der Teufel geht feiner zu Werke. Er ließ ihn das Wahre

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