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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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hatte nicht geglaubt, dass sie so viel Liebe zu diesem winzigen Ding empfinden könnte, das da in ihr heranwuchs. Denn es war nicht erwünscht, war nicht einmal durch Zuneigung entstanden. Aber als die Monate vergingen und die Entbindung immer näher rückte, hatte sie unversehens angefangen, dem Ungeborenen vorzusingen und es zu liebkosen, um es zu beruhigen, wenn es unruhig wurde. Solange sie einander hatten, würden sie den Tratsch überstehen können. Das winzige Etwas würde ein schönes Leben auf Warratah haben – dafür würde sie sorgen. Wenn nur Joe hier wäre!, dachte sie betrübt. Wenn er sich nur erinnern könnte, wie es zu dieser vertrackten Lage gekommen ist. Sie hatte kein Wort von ihm gehört, keinen Brief, nicht einmal einen Anruf seit jenem schrecklichen Tag im Krankenhaus; zwar hielt Dr. O’Neil sie über die Entwicklung auf dem Laufenden, aber das war etwas anderes, als mit ihm selbst zu sprechen, sein geliebtes Gesicht zu sehen und seine Stimme zu hören. Ihm zu erklären, dass sie ihn liebte trotz allem, was geschehen war – dass sie ihn immer geliebt hatte.
    Die Verzweiflung war fast überwältigend. Hasste Joe sie denn so sehr? Verachtete er sie wirklich so, dass er ihr für immer den Rücken zukehrte? Sie seufzte. Das Leben kann so verdammt unfair sein, dachte sie. So verdammt kompliziert.
    Es war, als könne Aurelia ihre Gedanken lesen. »Er wird bald entlassen«, sagte sie grimmig. »Was wirst du tun, wenn er hier auftaucht?«
    »Ihn willkommen heißen«, antwortete Ellie mutig. »Und hoffen, dass wir wenigstens Freunde sein können – es gibt nichts Schlimmeres, als einander fremd zu sein. Ich halte es nicht aus, aus seinem Leben ausgeschlossen zu sein. Halte das Schweigen zwischen uns nicht aus.«
    Jacky Jack platschte durch die Pfützen, und die nasse Hahnenfeder an seinem Hut hing ihm über die Augen, als er ins Wohnzimmer polterte. »Der Fluss tritt über die Ufer, Missus«, schrie er, um das Donnern des Regens zu übertönen. »Müssen die Rinder von der oberen Weide schaffen, bevor sie ersaufen.«
    Aurelia schnappte sich ihren Hut und den langen gewachsten Regenmantel. Ellie raffte ihre Regensachen zusammen und hatte Mühe, die Knöpfe über ihrem Bauch zu schließen. »Du bleibst hier«, befahl Aurelia. »Du kannst in deinem Zustand nicht mehr durch dieses Wetter reiten – schon gar nicht bei Hochwasser.«
    Ellie plagte sich weiter mit den Knöpfen. »Du brauchst jedes Paar Hände, das du kriegen kannst – erinnerst du dich? Das Baby kommt erst in zwei Wochen. Ich schaff’s schon.«
    Wang Lee erschien in der Tür, und wie immer war ihm Fu Man Chu auf den Fersen. »Bleiben in Haus, Miss Ellie. Baby kommen, wenn du auf Pferd, gibt große Schwierigkeiten.«
    »Du solltest dir abgewöhnen, an der Tür zu lauschen«, erwiderte Ellie schärfer als beabsichtigt.
    »Du immer noch sehr unartig«, fauchte der kleine alte Mann und stopfte sich die Hände in die Ärmel seines voluminösen Kittels. »Wang Lee dich heute nicht mögen.«
    Ellie nahm ihn zerknirscht in die Arme und drückte ihn kurz an sich. Er war mager und verschrumpelt und so alt wie die Welt; sie wusste, wenn er nicht mehr da wäre, würde er eine gewaltige Leere hinterlassen, die niemand ausfüllen könnte. Aber jetzt schob sie weiteren Einwänden einen Riegel vor, indem sie sich den Hut auf den Kopf stülpte und zur Tür hinausstürmte. Sie polterte die Verandatreppe hinunter und platschte durch die Pfützen, und ihr war klar, dass sie watschelte und wahrscheinlich lächerlich aussah. Aber es war ein gutes Gefühl, endlich wieder etwas Nützliches zu tun. Gut auch, sich zu bewegen und zu beschäftigen und keine Zeit zum Nachdenken zu haben.
    Einschließlich der schwarzen Hilfsknechte waren sie fünfzehn. Einige Männer hatten nach der Rückkehr aus dem Krieg geradewegs wieder ihren alten Platz auf Warratah eingenommen. Andere jedoch waren nicht zurückgekommen, und immer wenn die Männer und Frauen ohne sie ausritten, fühlten sie sich schmerzlich an den Tribut erinnert, den der Krieg gefordert hatte.
    Die obere Weide war achthundert Hektar groß und breitete sich zu beiden Seiten des Six Mile River mit seinen steilen Böschungen aus. Das Gras war hier zumeist gut, und weil es in letzter Zeit ziemlich trocken geblieben war, hatte man die Jungbullen dort hinaufgetrieben. Jetzt steckten sie bis über die Hufe im Schlamm und zertrampelten die Erde zu Morast, während sie versuchten, beieinander Schutz zu finden. Man

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