Ange Pitou, Band 2
Menschlichkeit. Nicht eines von seinen Worten wurde gehört.
Von Stufe zu Stufe zurückgestoßen, kniete er auf der Freitreppe des Stadthauses nieder und beschwor diese Tiger, die er seine Mitbürger nannte, ihre Nation nicht zu entehren, sich selbst nicht zu entehren, die Schuldigen nicht zu Märtyrern zu erheben, denen das Gesetz einen Teil Ehrlosigkeit mit einem Teil Bestrafung schuldig sei.
Als er beharrlich fortfuhr, gelangten die Drohungen biszu ihm, doch er kämpfte gegen die Drohungen. Einige Rasende zeigten ihm dann die Faust und hoben ihre Gewehre gegen ihn empor.
Er ging ihren Streichen entgegen, und ihre Waffen senkten sich.
Aber wenn man Lafayette bedroht hatte, so bedrohte man Berthier noch viel mehr.
Wie Bailly, so kehrte auch Lafayette besiegt ins Stadthaus zurück.
Alle Wähler waren Augenzeugen gewesen, wie machtlos Lafayette gegen den Sturm angekämpft; damit war ihr letzter Wall niedergestürzt.
Sie beschlossen, die Wache des Stadthauses sollte Berthier nach der Abbaye führen.
Das hieß Berthier in den Tod schicken.
Endlich! sagte Berthier, als der Beschluß gefaßt war.
Und er schaute alle diese Menschen mit tiefer Verachtung an und stellte sich unter die Wachen, nachdem er Bailly und Lafayette durch ein Zeichen gedankt und Billot die Hand gereicht hatte.
Bailly wandte seinen Blick voll Thränen, Lafayette seine Augen voll Entrüstung ab.
Berthier stieg die Treppe des Stadthauses mit demselben Schritte hinab, mit dem er sie heraufgestiegen war.
In dem Augenblick, wo er auf der Freitreppe erschien, machte ein entsetzliches, vom Platze ausgehendes Geschrei selbst die steinernen Stufen, auf die er den Fuß setzte, zittern.
Doch, verächtlich und unempfindlich, schaute er alle diese flammenden Augen mit ruhigen Augen an, zuckte die Achseln und sprach die Worte: Wie seltsam ist dieses Volk! Was hat es so zu brüllen!
Er hatte nicht vollendet, als er schon diesem Volke gehörte. Schon auf der Freitreppe rissen ihn grimmige Fäuste aus der Mitte der Wachen heraus. Eiserne Haken zogen ihn an, sein Fuß glitt aus, und er rollte in die Arme seiner Feinde.
Dann riß eine unwiderstehliche Woge den Gefangenenauf dem mit Blut besudelten Wege fort, auf dem Foulon zwei Stunden zuvor geschleppt worden war.
Schon saß ein Mensch, mit dem Stricke in der Hand, auf der unseligen Laterne.
Doch ein andrer Mensch hatte sich an Berthier angeklammert, und dieser Mensch teilte wütend, wahnsinnig, Schläge und Verwünschungen an die Henker aus.
Er schrie: Ihr werdet ihn nicht töten!
Es war Billot, den die Verzweiflung toll gemacht hatte, und zwar toll wie zwanzig Menschen.
Den einen rief er zu: Ich bin einer von den Siegern der Bastille!
Und einige, die ihn wirklich kannten, ließen in ihren Angriffen nach.
Zu andern sagte er: Laßt ihn richten; ich hafte für ihn; läßt man ihn entwischen, so werdet Ihr mich statt seiner henken.
Armer Billot, armer ehrlicher Mann! Die Wellen rissen ihn fort, ihn und Berthier, wie ein Wetterwirbel in seinen weiten Kreisen eine Feder und einen Strohhalm von hinnen trägt.
Er flog und wußte nicht wie und wo, bis er an Ort und Stelle war.
Berthier, den man rückwärts fortgeschleppt und aufgehoben hatte, wandte sich, als er sah, daß man anhielt, um, schlug die Augen auf und erblickte den schändlichen Strang, der über seinem Kopfe baumelte.
Durch eine ebenso heftige, als unerwartete Anstrengung machte er sich von den Händen, die ihn festhielten, los, riß einem von der Nationalgarde eine Flinte aus den Händen und ging mit Bajonettstößen auf seine Henker los.
Doch in einer Sekunde trafen ihn tausend Streiche von hinten, er fiel, und tausend Stöße tauchten aus einem Kreise auf ihn nieder.
Billot war unter den Füßen der Mörder verschwunden.
Berthier hatte keine Zeit zu leiden. Sein Blut entströmte aus unzähligen Wunden seines Leibes.Da konnte Billot ein Schauspiel sehen, das noch greulicher war, als alles, was er bis jetzt erblickt. Er sah einen Menschen seine Hand in die offene Brust des Leichnams tauchen und das noch rauchende Herz herausziehen.
Derselbe steckte dann dieses Herz an die Spitze seines Säbels, trug es mitten unter der brüllenden Menge, die sich auf seinem Wege vor ihm öffnete, und legte es auf die Tafel des großen Rates nieder, wo die Wähler ihre Sitzungen hielten.
Billot, der eiserne Mann, konnte diesen Anblick nicht ertragen; zehn Schritte von der unseligen Laterne fiel er auf einen Weichstein nieder.
Lafayette, als er
Weitere Kostenlose Bücher