Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
einsame Lichtkegel wirkt übertrieben hell und schaurig. Eigentlich verschärft er eher die Kontraste, als dass er die Umgebung erhellt. Hinter ein paar leeren Fensterhöhlen entlang der Straße wird es ebenfalls hell. Das Licht reicht aus, um die Engel ein bisschen besser zu sehen.
Sie haben verschiedenfarbige Flügel. Der, der in das Auto gekracht ist, hat schneeweiße, der Riese nachtfarbene, und die der anderen sind blau, grün, rostfarben und getigert.
Sie alle tragen keine T-Shirts, die muskulöse Form ihrer Körper spannt sich bei jeder Bewegung an. Ebenso wie die Flügel unterscheiden sich auch ihre Hauttöne. Der Engel mit den schneeweißen Flügeln, der das Auto plattgewalzt hat, hat eine helle, karamellfarbene Haut, der mit den nachtfarbenen Schwingen ist so blass wie ein Ei. Der Teint der Übrigen rangiert von Gold bis Dunkelbraun. Alle Engel sehen aus, als müssten sie eigentlich von Kriegswunden gezeichnet sein, doch stattdessen haben sie eine makellose, unversehrte Haut, für die Highschool-Ballköniginnen im ganzen Land ihre Ballkönige töten würden.
Unter Schmerzen wälzt sich der schneeweiße Engel von dem zerquetschten Auto herunter. Trotz seiner Verletzungen geht er halb in die Hocke, bereit, anzugreifen. Seine athletische Anmut erinnert mich an einen Puma, den ich mal im Fernsehen gesehen habe.
An der Art, wie sich ihm die anderen vorsichtig nähern, merke ich, dass er ein ernst zu nehmender Gegner sein muss, selbst wenn er verletzt und den anderen zahlen mäßig unterlegen ist. Obwohl auch die anderen muskulös sind, wirken sie im Vergleich zu ihm ungeschliffen und plump. Sein Körper ist der eines olympischen Schwimmers, straff und kräftig. Er sieht aus, als wäre er bereit, mit bloßen Händen zu kämpfen, auch wenn fast alle seine Feinde mit Schwertern bewaffnet sind.
Sein eigenes Schwert liegt ein paar Meter von dem Auto entfernt, wo es während seines Sturzes gelandet ist. Wie die anderen Engelsschwerter ist es kurz und hat eine ungefähr 60 Zentimeter lange zweischneidige Klinge, mit der man ohne Probleme eine Kehle aufschlitzen könnte.
Er erblickt das Schwert und macht eine Bewegung, wie um es sich zu schnappen, doch der Engel mit den rostfarbenen Flügeln tritt danach. Gemächlich schlittert es über den Asphalt, weg von seinem Besitzer, aber die Strecke, die es zurücklegt, ist erstaunlich kurz. Es muss schwer sein wie Blei. Und dennoch ist es nun weit genug weg, um sicherzustellen, dass der mit den weißen Flügeln keine Chance hat, dranzukommen.
Ich setze mich, um mir die Hinrichtung des Engels anzuschauen, denn es besteht kein Zweifel am Ausgang der Sache. Der Schneeweiße schlägt sich wacker. Er tritt den Getigerten und schafft es, sich gegen die anderen beiden durchzusetzen. Doch gegen alle fünf kommt er nicht an.
Die vier setzen sich praktisch auf ihn, und als sie es schaf fen, ihn niederzudrücken, kommt der Nachtriese auf ihn zu. Wie ein Todesengel stolziert er herbei, und ich schätze, er könnte tatsächlich einer sein. Ich habe den Eindruck, dass es sich hier um den Höhepunkt vieler vorangegangener Kämpfe handelt. An der Art, wie die beiden einander ansehen, wie der Nachtfarbene am Flügel des Schneeweißen zerrt und ihn abspreizt, erkenne ich, dass sie eine Vergangenheit haben. Er nickt dem Getigerten zu, woraufhin dieser sein Schwert über den Schneeweißen erhebt.
Vor dem finalen Hieb will ich die Augen schließen, doch ich kann nicht. Sie bleiben wie angeklebt geöffnet.
»Du hättest unsere Einladung akzeptieren sollen, als du die Gelegenheit dazu hattest«, sagt der Nachtblaue, während er sich gegen den Flügel des Schneeweißen stemmt, um ihn von dessen Körper wegzuhalten. »Aber selbst ich hätte kein solches Ende für dich vorausgesehen.«
Wieder nickt er dem Getigerten zu. Das Schwert saust herunter und schlägt den Flügel ab.
Zornig brüllt der Schneeweiße auf. Die Straße ist erfüllt vom wütenden Echo seiner Todesqualen.
Blut spritzt nach allen Seiten und regnet wie eine Dusche auf die anderen hernieder. Mit aller Kraft versuchen sie, ihn am Boden zu halten, doch das viele Blut lässt ihn glitschig werden. Der Schneeweiße windet sich und versetzt zweien seiner Peiniger einen harten Tritt. Zusammengekrümmt rollen sie über den Asphalt. Während die beiden anderen Engel versuchen, den Weißen unten zu halten, glaube ich für einen Moment, dass er es schafft, sich freizukämpfen.
Aber der Nachtblaue tritt mit seinem Stiefel auf den
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