Angélique - Hochzeit wider Willen
gleichen Entschlusskraft wie ihre Großmutter Eleonore von Aquitanien erklärt, die in ihr die Eigenschaften einer großen Herrscherin erkannt hatte.
Kapitel 16
April 1659
I m Béarn kam die Zeit der Geburt immer näher. Natürlich hatten die Eltern schon lange zuvor über den Vornamen diskutiert, den dieser Sohn, der Erbe der Grafen von Toulouse, erhalten sollte. Joffrey wollte ihn Cantor nennen, nach Cantor de Marmont, dem berühmten Troubadour aus dem Languedoc; doch schließlich bekam er zu Ehren der Blumenspiele den Namen Florimond.
Sie brachte einen kleinen Jungen von kräftiger Hautfarbe und dichtem schwarzen Haar zur Welt. Einige Tage lang grollte Angélique ihm wegen der Angst und der Schmerzen, die sie bei der Geburt ausgestanden hatte, noch ein wenig. Die Hebamme allerdings versicherte ihr, »dafür, dass es das erste Mal war«, sei die Sache sehr gut verlaufen. Aber Angélique war in ihrem Leben kaum jemals krank gewesen und hatte bisher körperlichen Schmerz gar nicht gekannt. Während der langen Stunden des Wartens hatte sie sich allmählich von der Urkraft dieser Qual überwältigt gefühlt, und ihr Stolz hatte sich dagegen aufgebäumt. Sie befand sich allein auf einem Weg, auf dem ihr weder Liebe noch Freundschaft helfen konnten, und wurde beherrscht von diesem Kind, das sie schon jetzt vollkommen beanspruchte. Sie hatte das Gefühl gehabt, von fremden Gesichtern umgeben zu sein.
Diese Stunden waren wie eine Vorahnung der furchtbaren
Einsamkeit, die sie eines Tages würde durchleben müssen. Sie wusste es noch nicht, doch tief im Inneren spürte sie die Warnung; und während der ersten Tage nach der Geburt bereiteten ihre Blässe, Wortkargheit und ihr gezwungenes Lächeln Joffrey de Peyrac große Sorgen.
Dann, als Angélique sich am Abend des dritten Tages neugierig über die Wiege beugte, in der ihr Sohn schlummerte, erkannte sie in seinem Gesicht die fein geschnittenen Züge wieder, die sie so oft erblickt hatte, wenn sie Joffreys Gesicht von der unverwundeten Seite her ansah. Sie stellte sich vor, wie ein grausamer Säbel auf dieses Engelsgesichtchen niederfuhr, und meinte zu sehen, wie der zarte Körper aus einem Fenster geworfen wurde und im Schnee, auf den Flammen herniederregneten, zerschellte.
Der Eindruck war so deutlich, dass sie vor Entsetzen aufschrie. Sie ergriff das Neugeborene und presste es an sich. Ihre Brüste schmerzten, denn die Milch schoss ein, und die Hebamme hatte sie fest eingebunden. Adlige Damen stillten damals ihre Kinder nicht. Eine junge Amme, drall und gesund, sollte Florimond mit in ihr Dorf im Gebirge nehmen, wo er die ersten Jahre seines Lebens verbringen würde.
Doch als Dame Isaura an diesem Abend in das Zimmer der Wöchnerin trat, rang sie die Hände, denn Florimond trank vergnügt an der Brust seiner eigenen Mutter.
»Ihr seid verrückt, Madame! Wie sollen wir jetzt Eure Milch unterdrücken? Ihr werdet Fieber bekommen, und Eure Brüste werden sich verhärten.«
»Ich werde ihn selbst stillen«, erwiderte Angélique heftig. »Mein Sohn soll nicht aus dem Fenster geworfen werden.«
Alles entrüstete sich über diese Edelfrau, die sich wie eine Bäuerin aufführte. Schließlich kam man überein, dass die Amme
trotzdem in Madame de Peyracs Haushalt verbleiben sollte. Sie würde Florimond, der einen überaus kräftigen Appetit an den Tag legte, zusätzlich die Brust geben.
Während die Milchfrage in dem kleinen Béarnaiser Dorf, das zum Schloss gehörte, noch von jedermann bis zu den Honoratioren heftig debattiert wurde, traf Bernard d’Andijos ein. Der Graf de Peyrac hatte ihn zu seinem Stellvertreter ernannt und ihn vor kurzem nach Paris geschickt, um sich vom Zustand seines dortigen Stadthauses zu überzeugen.
Sein Rückweg hatte Andijos direkt nach Toulouse geführt, wo er den Grafen bei den Blumenspielen vertreten sollte.
Im Béarn erwartete man ihn jedenfalls nicht.
Er schien sehr aufgeregt zu sein. Nachdem er einem Lakaien die Zügel seines Pferdes zugeworfen hatte, sprang er, immer vier Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf und stürzte in Angéliques Zimmer. Sie lag auf ihrem Bett, während Joffrey de Peyrac auf der Fensterbank saß, auf seiner Gitarre spielte und vor sich hin summte. Da der Abend kühl war, brannte im Kamin ein Feuer. Die Amme, die auf einem »carreau«, einem quadratischen Sitzkissen, an der Wiege des Kindes saß, rollte Stoffbänder auf, mit denen sie später das Neugeborene so fest wie möglich
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