Angélique - Hochzeit wider Willen
Argentières in seinen Besitz zu bringen. Nachdem ihm diese sicher war, hatte er sich anscheinend vorgenommen, die Anforderungen zu erfüllen, welche die Ehe stellte, diese »Institution, die die Liebe tötet«, wie er zu Fabricius gesagt hatte. Doch er hatte nicht
damit gerechnet, sich zu verlieben. Wollte er jetzt ein Kind? Oder wartete er darauf, dass sie diesen Wunsch äußerte?
Sie hätte die Frage nicht beantworten können.
Denn es gab eine Wissenschaft, in der er gewiss bewanderter war als sie und zweifellos die arme Mélusine, nämlich die der Liebesfreuden, die er ihr zu bereiten wusste, indem er sie davon überzeugte, dass sie die einzige Frau auf der Welt war, die ihn bezauberte.
Der Mann, den sie liebte, war für sie noch in vielerlei Hinsicht ein Unbekannter. Eigentlich war sie es, die sich nicht ganz von dem Misstrauen freimachen konnte, das eine lange Zeit der Furcht tief in ihr verankert hatte. Nachdem sie die Leidenschaft, die sie bei ihm auslöste, gefürchtet hatte, nachdem sie sich ihr dann in einem Rausch der Entdeckungen hingegeben hatte, wurde sie jetzt oft plötzlich von Bangigkeit ergriffen. Von ihm geliebt zu werden schien ihr ein so außergewöhnliches, so märchenhaftes Schicksal zu sein, dass sie sich fragte, ob das, was sie erlebte, nicht vielleicht ein Traum war, aus dem sie erwachen würde, um festzustellen, dass die düsteren Prophezeiungen Wahrheit geworden waren und sie bestraft werden würde.
Hatte sie das Recht, so leidenschaftlich zu lieben, so glücklich zu sein? Würde er sie plötzlich verstoßen und zu anderen Eroberungen laufen? Da konnte er ihr ruhig versichern, er habe noch nie eine Frau so sehr geliebt, um sie in sein Laboratorium mitzunehmen und mit ihr über Mathematik zu sprechen, sie blieb skeptisch und erging sich in gleichsam nachträglichen Eifersuchtsausbrüchen, die ihn zum Lachen reizten und insgeheim bezauberten.
Doch auch dies verflog nach und nach. Sie nahm die Erkenntnis, dass er sie aufrichtig liebte, wie einen Gnadenakt entgegen, den zu verweigern eine Sünde gewesen wäre.
Sie waren ein Fleisch, und das war kein leeres Wort.
Sie hatte den sensiblen Charakter kennengelernt, der sich hinter seinem kühnen Wesen verbarg, und vermochte zu ermessen, welchen Mut es ihn gekostet hatte, sich über seine Entstellung und seine Behinderung hinwegzusetzen. Für diese Leistung bewunderte sie ihn. Ihr war, als hätte sie ihn niemals so leidenschaftlich lieben können, wäre er schön und unverwundbar gewesen. Und jetzt wollte sie ihm ein Kind schenken, um ihn glücklich zu machen.
Doch die Zeit verging, und sie fürchtete schon, sie könne unfruchtbar sein.
Daher weinte sie vor Glück, als sie sich zu Beginn des Winters 1658 schwanger fühlte.
Joffrey hielt mit seiner Begeisterung und seinem Stolz nicht hinter dem Berg. Während sich in diesem Winter alles aufgeregt in die Vorbereitungen für die königliche Hochzeit stürzte, über die noch nicht entschieden war, zu der jedoch alle Edelleute der Provinz eingeladen zu werden hofften, kehrte im Palast der fröhlichen Wissenschaft ein sehr ruhiges Leben ein.
Der Graf de Peyrac widmete sich seinen Forschungen und seiner jungen Frau und stellte das rege gesellschaftliche Leben ein, das er bisher in seinem Palast geführt hatte. Außerdem nutzte er, ohne darüber mit Angélique zu sprechen, die Abwesenheit des Erzbischofs, um zur großen Zufriedenheit eines Teils der Ratsherren und der Bevölkerung das öffentliche Leben in Toulouse wieder zu gestalten.
Für die Geburt begaben sie sich in ein kleines Schloss, das der Graf im Béarn, in den Ausläufern der Pyrenäen, besaß.
Während der hochsommerlichen Hitze in Toulouse herrschte weiter westlich ein kühleres, von den Meeresbrisen des Atlantischen Ozeans beeinflusstes Klima.
In der Nachbarschaft des Schlosses im Béarn lebte eine Hebamme von gutem Ruf. Dieser wollte der Graf Angélique anvertrauen.
Man nannte sie Dame Isaura. Ihr Vater, der »jurat«, also Dorfschulze eines kleinen Fleckens in den Bergen war, hatte ihr diesen Namen gegeben, um sie unter den Schutz von Clémence Isaure zu stellen, der legendären Dichterin und Begründerin der Blumenspiele. Sie war berühmt für ihre Kenntnisse, ihr Geschick und ihren Einfluss, auf Grund dessen man sie oft sogar in die Hauptstadt dieser Provinz, Pau, rief. Doch sie reiste nicht gern. Häufiger kam es vor, dass man sie aufsuchte, denn sie gehörte zu den ganz wenigen Frauen, denen erlaubt
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