Angélique - In den Gassen von Paris
sanft, heiter und beinahe zärtlich geben. Dann hatte er sie wieder zurückbekommen. Das war sie, die Frau von der er seit jeher geträumt hatte! Die kleine Angélique, die in zerlumpten Kleidern und mit Grashalmen im Haar auf nackten Füßen über die Wege ihrer ländlichen Heimat rannte.
Ein andermal wiederum war sie passiv und wie abwesend und ließ alles geschehen, was er von ihr wollte; doch sie wirkte dabei so gleichgültig, dass er sie besorgt und vage verängstigt in Ruhe ließ.
Wahrlich, die Marquise der Engel war ein putziges kleines Ding …!
Doch all das war keine Berechnung. Ihre Nerven waren so angegriffen, dass sie abwechselnd in Verzweiflung und Entsetzen und dann wieder in dumpfe, beinahe erleichterte Unterwerfung verfiel. Aber ihr weiblicher Instinkt hatte ihr die einzig richtige Strategie zu ihrer Verteidigung eingegeben. Genau wie sie damals den kleinen Bauernjungen Merlot in ihren Bann geschlagen hatte, so bezwang sie jetzt den Gauner, der aus ihm geworden war … Auf diese Weise lief sie nicht Gefahr, seine Sklavin oder sein Opfer zu werden. Stärker noch als durch ihre schroffe Verweigerung unterwarf sie ihn durch die Zärtlichkeit, mit der sie sich manchmal hingab. Und Nicolas’ Leidenschaft wurde täglich verzehrender.
Dieser gefährliche Mann, dessen Hände mit Blut und vielen Verbrechen besudelt waren, zitterte schließlich bei dem Gedanken, ihr zu missfallen.
Als er an diesem Abend sah, dass die Marquise der Engel nicht ihre böse Miene zeigte, begann er, sie stolz zu liebkosen. Und sie schmiegte sich an seine Schulter wie eine Liane. Sie verachtete den Kreis aus abscheulichen, lachenden Säufergesichtern, von denen sie umgeben waren. Sie ließ zu, dass er ihr Mieder öffnete und sie heftig auf den Mund küsste.
Aus ihren smaragdgrünen Augen schaute sie provozierend und entrückt zugleich unter ihren halb geschlossenen
Lidern hervor. Innerlich schien Angélique sich daran zu ergötzen, wie tief sie gesunken war, und sich stolz als das Spielzeug eines gefürchteten Herrn zu präsentieren.
All das versetzte die Polackin in rasende Wut.
Calembredaines einstige offizielle Mätresse konnte ihre abrupte Absetzung nicht so einfach verwinden, zumal Calembredaine sie mit der Grausamkeit des echten Tyrannen zu Angéliques Dienerin bestimmt hatte. Sie war es, die ihrer Rivalin heißes Wasser zum Waschen hinaufbringen musste, eine Angewohnheit, die in der Welt der Gauner so absonderlich war, dass man sich bis nach Faubourg Saint-Denis davon erzählte. In ihrem Zorn kippte sich die Polackin jedes Mal die Hälfte des kochenden Wassers über die Füße. Doch die Stellung Calembredaines war so unanfechtbar, dass sie es nicht wagte, vor der Frau, die ihr die Gunst ihres Liebhabers geraubt hatte, auch nur ein einziges Wort zu sagen.
Angélique ließ sich die Dienste und die hasserfüllten Blicke des stämmigen, dunklen Mädchens gleichmütig gefallen. In der Sprache der Gauner nannte man die Polackin eine »ribaude«, das heißt, ein Soldatenliebchen, eine dieser Frauen, die im Krieg hinter den Armeen herziehen. Sie hatte mehr Schlachten erlebt als ein alter Schweizer Söldner und konnte sich ebenso kenntnisreich wie ein solcher über Kanonen, Arkebusen und Piken unterhalten, denn sie hatte Liebschaften mit allen Dienstgraden unterhalten. Wie sie erklärte, hatte sie sich wegen ihrer schönen Augen und adretten Schnurrbärte sogar mit Offizieren eingelassen, obwohl diese hübschen Herren oft leerere Geldbeutel hatten als ein braver Soldat, der sich beim Plündern die Taschen füllt. Ihr Beiname rührte daher, dass sie während eines ganzen Feldzugs die ungekrönte Königin über ein polnisches Regiment gewesen war.
Am Gürtel trug sie ein Messer, das sie bei jeder Gelegenheit zog, und sie stand in dem Ruf, es auch ausgezeichnet gebrauchen zu können.
Abends redete sich die Polackin, wenn sie ihren Weinkrug bis zur Neige geleert hatte, in Rage und erzählte vom Plündern und Brandschatzen.
»Ah, das waren noch schöne Zeiten im Krieg! «, sagte sie dann. »Ich sagte zu den Soldaten: Küsst mich, tapfere Krieger, und ich zerquetsche eure Läuse.«
Dann begann sie Soldatenlieder zu singen und küsste die Veteranen.
Schließlich setzte man sie regelmäßig mit kräftigen Tritten vor die Tür. Draußen lief die polnische Marquise im winterlichen Regen und Wind am Seine-Ufer entlang und streckte die Arme nach dem Louvre aus, der im nächtlichen Dunkel nicht zu erkennen war.
»He,
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