Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Angerichtet

Angerichtet

Titel: Angerichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Koch
Vom Netzwerk:
Ventile befanden.
    »Was hast du hier oben gemacht?«, fragte er plötzlich. »Du hast gesagt, du suchst mich. Weshalb denn?«
    Ich sah ihn an, ich sah in die hellen Augen unter dem Mützenrand, die ehrlichen Augen, die, so hatte ich es immer gesehen, einen nicht unerheblichen Teil unseres Glücks ausmachten.
    »Nur so«, sagte ich. »Ich habe dich gesucht.«

[Menü]
    4
    Wie zu erwarten waren sie noch nicht da.
    Ohne damit allzu viel über die Lage des Restaurants zu verraten, kann ich dennoch berichten, dass es an der Straßenseite von Bäumen verdeckt wird. Wir waren jetzt eine halbe Stunde zu spät, und während wir über den Kiesweg schritten, der zu beiden Seiten von elektrischen Fackeln beleuchtet wurde, und uns dem Eingang näherten, überlegten meine Frau und ich, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass einmal wir und nicht die Lohmans als Letzte eintrafen.
    »Wetten?«, fragte ich.
    »Wieso wetten?«, erwiderte Claire. »Sie sind doch sowieso noch nicht da.«
    Eine Bedienung mit einem schwarzen T-Shirt und einer schwarzen Bistroschürze, die ihr bis zu den Fußknöcheln ging, nahm unsere Jacken entgegen. Ein weiteres Mädchen in identischem Outfit sah eifrig in dem Buch mit den Reservierungen nach, das aufgeschlagen auf einem Stehpult lag.
    Ich sah, dass sie eigentlich nur vortäuschte, den Namen Lohman nicht zu kennen, und das auch noch ziemlich schlecht.
    »Herr Lohman, sagten Sie?« Sie zog eine Augenbraue hoch und gab sich keinerlei Mühe, ihre Enttäuschung darüber zu verbergen, dass nicht der leibhaftige Serge Lohman vor ihr stand, sondern zwei Leute, die sie noch nie gesehen hatte.
    Ich hätte ihr auf die Sprünge helfen können, indem ich gesagt hätte, Serge Lohman sei unterwegs, aber ich ließ es bleiben.
    Das Stehpult mit dem Reservierungsbuch wurde durch eine schmale, messingfarbene Leselampe beleuchtet: Art déco oder etwas in der Art, das wieder in oder gerade wieder aus der Mode war. Das Mädchen hatte ihr Haar, das so schwarz wie ihr T-Shirt und die Bistroschürze war, straff zurückgekämmt und hinten zu einem dünnen Zopf zusammengebunden, als sei es auf das Styling des Restaurants abgestimmt. Auch das Mädchen, das unsere Jacken angenommen hatte, trug einen ebenso straffen Zopf. Vielleicht war das ja Vorschrift, überlegte ich, eine Vorschrift aus hygienischen Gründen, so wie ein Mundschutz im Operationssaal. Immerhin gehörte es zu den Prinzipien dieses Restaurants, dass sie nur »ungespritzte« Produkte verwendeten – das Fleisch stammte zwar noch von Tieren, allerdings von Tieren, die »ein schönes Leben« gehabt hatten.
    Über das straffe, schwarze Haar hinweg warf ich einen kurzen Blick in das eigentliche Restaurant, jedenfalls bis zu den ersten zwei oder drei Tischen im Speisesaal, die man von hier aus erkennen konnte. Links neben dem Eingang befand sich die »offene Küche«. Offenbar wurde in diesem Moment etwas flambiert, begleitet von dem dazugehörenden blauen Rauch und den hochschießenden Flammen.
    Ich hatte schon wieder keine Lust. Mein Widerwillen gegenüber dem uns bevorstehenden Abend hatte inzwischen schon physische Formen angenommen – eine leichte Übelkeit, klamme Finger und ein beginnender Kopfschmerz hinter meinem linken Auge –, war aber gerade noch nicht so stark, dass mir sofort schlecht wurde oder ich auf der Stelle in Ohnmacht fiel.
    Ich stellte mir vor, wie die Mädchen mit den schwarzen Bistroschürzen auf Gäste reagieren würden, die noch vorErreichen des Speisesaals am Stehpult zusammenbrachen: ob sie eilends versuchen würden, mich in der Garderobe verschwinden zu lassen, jedenfalls schnell weg außer Sichtweite der Gäste. Wahrscheinlich dürfte ich mich auf einem Hocker hinter den Mänteln ausruhen. Höflich, aber bestimmt, würden sie nachfragen, ob sie vielleicht ein Taxi bestellen sollten. Weg! Weg mit dem Mann! – wie wunderbar wäre es doch, Serge schmoren lassen zu können, welche Erleichterung, dem Abend eine andere Wendung zu geben.
    Ich ging die verschiedenen Möglichkeiten durch. Wir konnten in die Kneipe zurückgehen und dort ein Tagesgericht für Normalos bestellen. Heute gab es Spareribs mit Pommes, hatte ich in Kreide geschrieben auf einer schwarzen Tafel gelesen. »Spareribs mit Pommes, 11,50 Euro« – wahrscheinlich noch kein Zehntel des Betrages, den wir hier pro Person zum Fenster hinauswerfen würden.
    Es gab noch die andere Möglichkeit, einfach direkt nach Hause zu gehen, mit einem Abstecher zur Videothek, um dort eine DVD

Weitere Kostenlose Bücher