Angor - Schatten der Vergangenheit (Kriminalroman)
Vermögen wird beschlagnahmt und man nimmt Ihnen auch noch Ihr Zuhaus e mit dem schönen Inventar weg.
Die ganze Wohnungseinrichtung wird öffentlich zugunsten des Reichsfiskus versteigert. Ihnen wird Ihre Staatsbürgerschaft entzogen.
Sie sind kein Deutscher mehr und von nun an eine unerwünschte Person in Ihrem geliebten Heimatland.
Ihre Bürgerechte sind nicht mehr existent. Alles Gute, was Sie einmal für dieses Land erbracht haben, ist null und nichtig.
Das reißt jedem den Boden unter den Füßen weg! Nun machen Sie sich mit Ihrer Frau und den beiden Kindern auf den Weg, es ist besser so. Sprachbarrieren sollte es eigentlich nicht geben. Ihre Frau spricht ja ein paar Brocken Französisch und Sie haben einen reichhaltigen englischen Wortschatz. Irgendwo muss es doch noch ein friedvolles Plätzchen auf diesem Planeten geben. Sie möchten zu einem Verwandten im entfernten Marseille. Jeder trägt einen Koffer und ein kleines Paket mit den letzten Habseligkeiten unter dem Arm. Sie schaffen es irgendwie bis nach Frankreich, weil Sie im Jahre 1938 dort immer noch Hilfe und vor allem Sicherheit vermuten.
In Frankreich angekommen, bekommen Sie zu hören, dass der „äußerste Grad der Sättigung“ erreicht ist, und Sie mit Ihren Lieben nicht im Land bleiben können. Natürlich gibt es gewaltige Verständigungsschwierigkeiten …
Nach Marseille gelangen Sie gar nicht. Dann geht es weiter nach Belgien, hier hören Sie Ähnliches. Weiter nach den Niederlanden, dort sind Sie aber auch unerwünscht. Sie teilen in einer Notunterkunft ein Zimmer mit zehn weiteren Flüchtlingen. Zusammengepfercht muss Ihre Familie menschenunwürdige hygienische Zustände hinnehmen.
Natürlich verzweifeln Sie, die wenigen zur Seite geschafften Wertgegenstände sind fast aufgezehrt. In den meisten Fällen wird Ihr letzter Schmuck für kleine Hilfeleistungen und Lebensmittel gern genommen. Durch Zufall treffen Sie in Den Haag eine bekannte Familie aus Berlin wieder. Diese verhilft Ihnen zu einer Schiffspassage nach England. Sie haben in wenigen Wochen fast fünfzehn Kilo an Gewicht verloren. Aber wichtig ist doch nur, dass es Ihren beiden Würmern und Ihrer Frau einigermaßen geht.
Auf dem englischen Festland angekommen, fällt Ihnen ein dicker Stein vom Herzen.
Schon kurz darauf stellen Sie fest, hier ist es auch nicht besser.
Sie kommen alle vorübergehend in ein Internierungslager, dann zu einem landwirtschaftlichen Betrieb. Hier erfahren Sie, dass Sie dienstverpflichtet wurden. Sie und auch Ihre Frau arbeiten nun zwölf Stunden am Tag ohne Bezahlung. Die Schwielen an Ihren zuvor zarten Händen werden immer dicker. Sie hören auf zu denken und ergeben sich Ihrem Schicksal. Sie atmen ja noch, bekommen zu essen und haben ein Dach über dem Kopf. Das einzig Gute an der Situation ist, dass Ihre Kinder in einer ländlichen, tier- und kinderreichen Umgebung aufwachsen.
Das Lächeln Ihrer unwissenden Mädchen nährt Ihre Hof fnung auf eine bessere Zukunft. Dies war nur eine düstere Erzählung, die Realität in Tausenden Fällen sicher unvorstellbar grausamer. Denn vielen Menschen wurde einfach so jegliche Zukunft genommen!
Ich werde es nicht weiter ausschmücken.
Wenn ich als wenig Wissender Ihren Dad mit einem Wort beschreiben sollte, dann würde ich den Ausdruck Tausendsassa verwenden. Wie er all seine Aktivitäten miteinander koordiniert hat, ist ein wahres Phänomen.
Ihr Vater baute, ähnlich wie Sturdet, Rosen und Geschke, ein eigenes Hilfsprogramm auf. Er organisierte ganz nebenbei Pässe und eine sichere Reiseroute nach Nordafrika, selbstlos und unentgeltlich. Wie vielen Menschen er letztlich das Leben gerettet hat, das weiß ich nicht.
Mein Großvater und mein Großonkel waren in den Kriegsjahren auch äußerst umtriebig. Ihre Geschäftsaktivitäten umfassten sogar Berlin. Sie kontrollierten den Schwarzmarkt für Zigaretten, Alkohol und anderes.
Dort kreuzten sich ihre Wege.
Meine Verwandten versorgten Ihren Vater mit perfekt gefälschten Dokumenten, die Flüchtenden helfen konnten. Dafür erhielten sie französischen Champagner, Wein und andere Luxusartikel frei Haus geliefert. Stewart hat mit allem und jedem Geschäfte getätigt, auch mit einigen deutschen Offizieren.
Laut meines Großvaters Erzählungen kannte er persönlich niemand anderen, der derartige Kontakte und Privilegien innehatte. Es sind einige kuriose Geschichten überliefert. Stewart konnte sich selbst in Deutschland ziemlich frei bewegen.
Wenn Ihr
Weitere Kostenlose Bücher