Angst auf der Autobahn
hat er sie. Himmel, die ist doch aus der Kollektion
von Umberto Schmucceroni.“
Beide begannen zu lachen,
ziemlich schrill. Dann weinte Margot noch heftiger und wurde von Gaby
getröstet, die den Arm um ihre Mutter legte. Die 14jährige weinte nicht minder,
hatte aber keine Probleme damit, da sie nicht fuhr.
Margot sah nicht mehr genug und
mußte das Tempo verringern. „Bitte, ein Taschentuch!“
„Mein letztes. Aber weil du’s
bist.“
Mit einem Papiertaschentuch
betupfte ihr Gaby die Augen. Und nahm es dann selbst noch zum Schneuzen.
„Schrecklich!“ Margot
schüttelte sich. „Dieser Verbrecher! Hast du gesehen, was der anhat?
Gefängniskleidung. Ja, das ist das Outfit der Knastis. Der ist ausgebrochen,
Gaby. Ein Ausbrecher!“
Tims Freundin fröstelte. „Hätte
der uns... umgebracht?“
„Ich weiß nicht. Wahrscheinlich
wollte er nur den Wagen. Vielleicht mit uns als Geiseln. Papi hat recht
behalten. Einsame Rastplätze in einsamer Gegend sind nichts für Frauen und
Mädchen. Wie leicht kann sich da Gesindel postieren.“
„Nie wieder!“
„Aber sagen müssen wir’s
jetzt.“ Margot lächelte.
Ein gelbes Wegweiser-Schild.
Noch fünf Kilometer bis zum nächsten Dorf.
Jetzt, ohne Tränen, sah Margot
besser. Sie konnte flott fahren.
„Frauen“, sinnierte sie, „sind
doch wirklich benachteiligt. An Männer — starke Männer, meine ich — hätte sich
dieser Typ nicht rangetraut.“
„Du sagst es, Mami. Genau. Aber
unsereins ist Freiwild. Da helfen auch die Selbstverteidigungskurse nicht viel.
Wenn so ein brutaler Typ auf uns eindringt, ist man verloren. Wir haben nun mal
die dünneren Muskeln. Es sei denn, man überrascht ihn. Mit einem blitzschnellen
Tritt an die richtige Stelle. Tim hat es mir beigebracht. Aber noch nicht so
richtig. Ich verlasse mich immer auf ihn. Er ist ein so toller Fighter.“
Margot lächelte. „Deinen Tim
als Bodyguard — dann ginge es uns gut.“
Beide lachten. Margot spürte,
wie der Schock bei ihr nachließ — auch, daß Gaby besser damit fertig wurde.
Vielleicht geht sowas leichter, wenn man erst 14 ist.
Sie erreichten das Dorf und
hielten vor dem Gasthaus ,Altwirt’. Im Handschuhfach lag ein Reserve-Portemonnaie
mit Telefonkarte. Margot zog los, um im Polizeipräsidium anzurufen. Ihr Mann
war auf Dienstreise. Aber sie mußte seine Kollegen informieren.
Gaby blieb im Wagen und
versuchte, dem abgebrochenen Fingernagel etwas Form zu geben. An dem
12-teiligen Taschenmesser, ebenfalls Ausrüstung im Handschuhfach, befand sich
eine Feile.
Margot blieb ziemlich lange
weg. Als Gaby mit dem Nagel fertig war und sich langweilte, ging sie ins
Gasthaus.
Es war ein uriger Schuppen mit
rauchgeschwärzten Holzbalken und Bierdunst in den Gardinen. Leer. Nur ein
dickbäuchiger Wirt stand hinter der Theke. Er erklärte, das Telefon befinde
sich hinten im Gang zu den WCs.
Gaby setzte sich ans Fenster
und bestellte eine Coke. Dann kam Margot zurück.
„Die sind alle zu Tode
erschrocken. Mir wackeln jetzt erst richtig die Knie. Dieser Kerl ist ein
Schwerverbrecher, habe ich erfahren. Und letzte Nacht aus der
Landesstrafanstalt entkommen. Karsten Willert. Für Dennis Blots gibt es keinen
Zweifel. Willert ist 38 — er sah älter aus, wie? — und hat viel auf dem
Kerbholz. Einbruch, Raub, Körperverletzung. Der wäre unsanft mit uns
umgegangen.“
Gaby schauderte. Sie teilten
sich die Coke, denn das Reserve-Portemonnaie enthielt nur ein paar Mark. Dann
verließen Mutter und Tochter den ,Altwirt’ und traten hinaus in die grelle
Vormittagssonne.
Beide blinzelten und spähten
über die Straße. Dort, vor einem zum Supermärktchen aufgeblähten
Tante-Emma-Laden, parkte ein japanischer Jeep. Ein Mann stieg aus.
„Gaby! Ist das nicht der
Wichtigmann?“
„Exakt. Mir fällt ein: Der hat
hier irgendwo eine Jagdhütte.“
In diesem Moment entdeckte auch
Karl-Walter Wichtigmann die Damen. Er hieß nicht nur so, er war wichtig, hatte
er’s doch schon zum zweiten Bürgermeister gebracht in der Millionenstadt, wo
TKKG zu Hause sind. Wichtigmann war nebenberuflich Geschäftsmann, was nun seine
Frau besorgte, um dem Mandatsträger offiziell den Kopf frei zu halten für sein
Mandat, und Vorsitzender seiner Partei war er auch.
Mit breitem Grinsen stiefelte
er heran: ein großer, etwas feister, ausnahmslos gutgelaunter Amtsträger.
„Hallo, wen sehe ich denn da!
Die Frau Glockner! Und das Fräulein Tochter.“
Er küßte Margot die Hand und
tätschelte Gaby die Wange,
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