Angst auf der Autobahn
Belobigungen. Da hat sich was angehäuft. Drei
dickgefüllte Schnellhefter — über Kommissar Glockner und seine Familie.“
„Haben Sie Spelter mal
gefragt?“
„Er hat keine Miene verzogen
und nur die Schultern gezuckt. Ich habe wieder und wieder gefragt. Was das
soll? Dann hat er sich zu einer Antwort herbeigelassen. Er interessiere sich
eben für Emil Glockner und nehme auf diese Weise teil an seinem Familienleben.“
„Es ist nicht strafbar, über
irgendwen Zeitungsartikel zu sammeln.“
Auch Finkwalzer lachte
freudlos. „Denn wir leben ja in einem Rechtsstaat. Wir können denken, was wir
wollen — solange Spelter nichts getan hat, ist er ein Unschuldsengel. Abgesehen
vom Vorleben.“
Dennis seufzte. Er hatte das
Foto aus dem Schreibtisch genommen. Es lag auf der ledernen Schreibunterlage
zwischen einer italienischen Wochenzeitschrift, einem Fax der Pariser
Mordkommission, die um Amtshilfe bat, einem neuen Shopping-Führer für London in
englischer Sprache und einem Päckchen Kaugummi. Kaugummis ohne Zucker, versteht
sich, und empfohlen zur Zahnpflege.
Dennis Blots kam frisch von der
Uni, machte eine Ausbildung als Kriminalist und war seit einem halben Jahr
Gabys Vater zugeteilt, Kommissar Glockner. Nicht nur mit ihm hatte Dennis sich
angefreundet, sondern ebenso mit TKKG — und da besonders mit Tim, den er
bewunderte, obwohl Gabys Freund elf Jahre jünger war als der Kiminalist in spe.
Draußen entfaltete einer der
letzten Augusttage hochsommerliche Temperaturen. Wie Dennis mit Blick in den
gegenüberliegenden Park feststellte, trugen Jogger und Joggerinnen nackte Beine
spazieren, schön gebräunt von der Sommersonne.
„Wo ist er offiziell?“ fragte
Dennis.
„Die Betreuung für LHE, für
Langzeit-Haftentlassene, hat ihm eine häßliche Wohnung vermittelt. Dafür ist
sie billig.“ Finkwalzer nannte die Adresse, und Dennis schrieb mit. „Und dazu
einen Job. Als Nachtwächter bei der Pechmann-und-Strähter AG. Ab 1. September.
Das ist alles, womit ich Ihnen helfen kann.“
„Vielen Dank!“ sagte Dennis.
„Ab jetzt helfen wir uns selbst. Ich werde Kommissar Glockner informieren,
sobald er von seiner Dienstreise zurück ist.“
*
Noch 60 Kilometer bis nach
Hause. Und das auf Landstraßen, größtenteils.
Mutter und Tochter in dem
silbergrauen BMW beschlossen, eine Pause einzulegen. Zumal die Gegend günstig
war. Die Straße führte durch Wald, und der einsame Rastplatz auf einer Anhöhe
bot sich an.
„Hier geht’s“, meinte Gaby. Sie
bewegte unruhig die Hüften und befreite sich aus dem Sicherheitsgurt.
Margot Glockner lenkte den
Wagen hinter eine Sichtblende aus Büschen. In ihrem weiteren Verlauf fiel die
Straße steil ab.
Margot sah prüfend hinaus.
„Papi würde schimpfen, Gaby.
Ein gefährlicher Ort hier für Frauen und junge Mädchen. Wozu sind denn die
Gasthäuser da — würde Papi sagen.“ Sie lachte verschwörerisch. „Also muß es
unter uns bleiben.“
„Logo!“ lachte Gaby. Sie war
schon draußen und lief unter die Bäume.
Margot zog den Zündschlüssel
ab, ließ ihn gewohnheitsmäßig in ihre Umhängetasche fallen und stieg aus. Ein
heißer sonniger Tag Ende August. Sie schulterte die Tasche und trat in den
Waldschatten.
Büsche belegten jeden freien
Platz zwischen den Fichten. Margot konnte nicht weit sehen. Sie folgte einem
schmalen Pfad und bemerkte den Mann erst, als er hinter einem Baum hervortrat.
Sie erschrak. Der Mann starrte
sie an. Groß war er und wuchtig. Er trug graue Klamotten, und sein Gesicht
gefiel ihr gar nicht. Diese Augen! Dieser Blick! Drei, höchstens vier Schritt
betrug der Abstand. Und den überwand der Kerl mit einem gewaltigen Sprung.
Margot schrie auf, warf sich
herum und wollte fliehen. Schon spürte sie seine Hand an der Schulter — riß
sich los und stolperte über einen Stein, fiel aber nicht. Sie trug sportliche
Schuhe mit flachem Absatz. In denen konnte sie rennen, und sie rannte wie um
ihr Leben.
Dabei schrie sie aus
Leibeskräften. „Gaby, zum Wagen! Lauf zum Wagen! Einriegeln!“
Die Antwort kam aus der
Richtung. Gaby war schon dort.
„Mami, was ist denn?“
Margot antwortete nicht. Dazu
fehlte der Atem. Außerdem merkte sie: Ihre Tasche war weg. Der Typ hatte sie an
sich gerissen. Und in der Tasche waren die Autoschlüssel.
O Gott! Wir sind verloren! Wer
ist das? Was will der?
Hinter ihr brachen Zweige. Er
holte auf. Sie hörte ihn keuchen.
„Mami!“
Gaby kam ihr entgegen.
„In den Wagen!“ schrie
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