Angstblüte (German Edition)
Nein.
Sie gehen, ohne zu sprechen, bis zum Auto.
Joni: Ich habe noch eine Verabredung.
Strabanzer, schreit fast schmerzlich: Mit wem?
Joni, genauso: Mit dem Weltgeist.
Strabanzer: Gott sei Dank.
Strabanzer gibt ihr seine Karte.
Joni: Bocca di Leone.
Strabanzer: Zu deutsch Löwenzahn.
Joni: Du machst mich kühn.
Strabanzer: Das ist mein Job.
Joni: Ich verlasse die Konversation.
Strabanzer: Ich stelle die Sitzlehne senkrecht.
Joni: Meine Bescheidenheit ist eine Anmaßung.
Ich werde mich anpassen.
Ich werde nur willkommene Vorschläge machen. Ich werde allen Männern nach dem Mund reden.
Kein Mann wird von mir erfahren, was ich über ihn denke.
Wenn es mir gelingt, ein Rätsel zu werden, kann ich froh sein.
Ciao.
Sie geht.
Strabanzer: Grüß den Weltgeist von mir.
Sie bleibt stehen, nickt deutlich, dann geht sie.
III.
Strabanzer: Da machen wir weiter. Du schreibst ihr die Hauptrolle.
Rudi-Rudij: Wenn sie sie mir liefert.
Strabanzer: Sie wird. Zeig mir, bitte, noch schnell Strabanzer haut ab .
Rudi-Rudij legt die Kassette ein.
Rudi-Rudij: Diese Schwarzweiß-Masturbation mußt du allein anschauen. Ich habe zu arbeiten.
Strabanzer schaut sich sein Solo an. Den Text hat er selber gesprochen. Man sieht immer wieder, wie hingerissen er ist von dieser Solo-Nummer. Als Sprecher ist er hemmungslos pathetisch. Er kommentiert sich, als kommentiere er einen Weltstar, den er bei Höchstleistungen beobachtet und uneingeschränkt verehrt. Sein Pathos ist sich seiner selbst bewußt. Es ist also ein voll parodistisches Pathos. Aber kein denunziertes Pathos. Es genießt sich selbst. Es findet sich toll.
Strabanzer und Rudi-Rudij und Joni auf der Bühne eines Kinos. Vor der Leinwand. Auf der Leinwand steht in großer Schrift:
WER DIE LIEBE LIEBT
DEN WIRD DIE LIEBE LIEBEN.
Ein Film von Theodor Strabanzer.
Geschrieben von Rudi-Rudij.
Das Ende der Pressekonferenz. Strabanzer steht auf, nimmt Papiere an sich. Rudi-Rudij will nicht aufstehen. Offenbar beendet Strabanzer die Pressekonferenz überraschend schnell. Auch Joni schaut erstaunt.
Strabanzer: Sie sehen, meine Sympathisanten Joni Jetter und Rudi-Rudij wollen noch. Ich aber muß. Gehen. Hat mich gefreut, der Elite unserer Filmkritik ein paar Sätze zu sagen über mein geniales Machwerk WER DIE LIEBE LIEBT DEN WIRD DIE LIEBE LIEBEN. Auf Wiedersehen.
Strabanzer stopft die Papiere, die er an sich genommen hat, in eine Abfalltonne an der Leopoldstraße. Da sitzen Leute in Straßencafés und lesen die Zeitung. Strabanzer erlebt es als Schock. Er rennt. Immer wenn er wieder einen Zeitungsleser sieht, ändert er die Richtung. Jedesmal rennt er noch schneller. Und biegt ab, rennt in eine Seitenstraße hinein. Kein Café, keine Zeitungsleser. Er wird langsamer. Er ist entkommen. Man sieht jetzt, was er erzählt. Im großen Ton erzählt.
Strabanzer haut ab. Immer nach einem Film haut Strabanzer ab. Nach einem Film wäscht er sich kaum noch. Rasieren kommt nicht mehr in Frage. Bald kann er die Leopoldstraße rauf- und runterstolpern, auch alte Bekannte kennen ihn nicht mehr. Das ist Genuß pur. Dieses Verkommendürfen. Ohne Verneinung sein. Das heißt, Zeitungen meiden. Zeitungen, das ist der Erdteil der Verneinung. Strabanzer geht in allen Straßen auf alle zu, zwischen allen durch, jeden und jede schaut er so lange wie möglich an, er wartet darauf, daß sich etwas gegen die Angeschauten rühre. Nichts. Es ist eine Harmonie mit allen. Er hat gegen keine und keinen etwas. Und weil er für alle ist, sind alle für ihn. Es ist ein buntes Gewimmel, durch das Strabanzer geht. Wie durch den Wald geht er durch die Menschenmenge. Gleich hinterm Karlstor steht ein Mann vor einer bis zur Winzigkeit geschrumpften Frau. Die hockt auf der Brunnenfassung. Der Mann überlegt, was er tun könne für dieses geschrumpfte Wesen.
Sie ruft: Schaug, daß waida kimmst, Depp, greisliger.
Der Mann lächelt und geht glücklich weiter.
Ein Dritter, der die beiden beobachtet hat, offenbar ein Wiener, ruft der Geschrumpften zu: Hoid dia Babbn.
Alle sind miteinander verbunden. Keinem kann etwas passieren. Zwei Herren werden durch Entgegenkommende für zwei Sekunden getrennt, müssen ihr Gespräch lauter führen. Kriegszeiten, ruft der eine fröhlich dem anderen zu, sind immer schon Hoch-Zeiten für die Weizenbörse gewesen.
Im Hirschgarten setzt sich Strabanzer zu den anderen. Kriegt sein Bier und sagt: Zum Essen brauch i net vui, bloß zum Trinken.
Hier gibt es nur Sätze, denen
Weitere Kostenlose Bücher