Angstblüte (German Edition)
kann.
Rudi-Rudij: Betrug ist unproduktiv.
Strabanzer: Unterschätz mich nicht so, Herzchen. Ein paar Seiten voll des züngelndsten Inhalts. Das ist ja erst das Marne-Wunder. Dein Rodrigo erlebt dort sofort, auf den ersten Blick mit seinem zur Fixierung tendierenden Linksauge, wie der Finanzbaron Joni sieht, sie entdeckt und sich in einer Millionstelsekunde durch und durch klar wird über die grausame Konsequenz dieser Entdeckung. Er sieht, was ihm passiert, was ihm passieren wird, sein grandios grauenhaftes, unvermeidbares Schicksal sieht er und kann schon nichts mehr machen. Er ist verloren. Und weiß es.
Rudi-Rudij: Soll er mir leidtun?
Strabanzer: Privatisierst du jetzt oder was? Das ist der Film. Herzchen, das ist das Warne-Munder.
Rudi-Rudij: Marne-Wunder.
Strabanzer: Richtig. Und heißt: Othello-Projekt .
Rudi-Rudij: Othello mag ich.
Strabanzer: Durch deinen Rodrigo ging der Blitz so schnell und total hindurch und durch den Geldbaron auch. Im Nu ist die Idee, ist der Film da, ist das Projekt geboren und heißt: Das Othello-Projekt. Im Nu redet dein Rodrigo vom Othello-Projekt wie von einem reifen Plan, fehlt bloß noch ein Sümmchen. Und ich jammere natürlich, wie scheiße ich das finde, einen Fickfilm nach dem anderen, und schwärme vom Tabubruch-Film, dem Ohne-Fick-Film der Zukunft, aber zuerst Das Othello-Projekt, das sich seines Erfolgs nicht wird erwehren können. Und der Finanzmogul war von deinem Rodrigo angetan, von Joni erobert, eröffnet wurde ihm: Theodor Strabanzer filmt immer hart am Leben entlang.
Rudi-Rudij: O du mein Genie.
Strabanzer: Ich bin der Handwerker. Genie bist gefälligst du.
Rudi-Rudij: Ich schreibe mit. Alles.
Strabanzer: Er hat eine Bedingung gestellt. Sein Beruf darf nicht vorkommen. Rudi-Rudij: Kunsthändler.
Strabanzer: Statt Geldhändler! Genial!
Rudi-Rudij: Wenn mein Gehirn so feinfühlig wäre wie mein Schwanz, wär ich ein Genie.
Strabanzer: O Zarensohn! Joni hab ich auf dem Rückweg informiert. Sie nimmt sich den Geldfürsten zur Brust. Der Hauptrollenzwang macht sie unwiderstehlich.
Rudi-Rudij: Du setzt sie aufs Spiel.
Strabanzer: Mich, dich, sie. Alles, was ich nicht habe.
Rudi-Rudij, steht auf: Kommst du noch vorbei?
Strabanzer: Komm vorbei … doch … du.
Rudi-Rudij: Weiß ich, ob das Mäuschen zu Besuch ist?
Strabanzer: Zarensohn!
Rudi-Rudij: Sie spannt dich mir aus, das Luder.
Strabanzer: Wie macht sie das?
Rudi-Rudij: Sie hat etwas, das nichts ist. Die leere Stelle. In der sie dich unterbringt.
Strabanzer: Wenn es im Freien nicht mehr auszuhalten ist. Ich bin aber ununterbringbar.
Rudi-Rudij: Überlaß das Formulieren mir.
Strabanzer: Ich bin ein armer Hund. Und du nützt das aus.
Rudi-Rudij: Moment.
Er geht zu seiner Jacke am Kleiderständer, holt einen Bierdeckel heraus und legt ihn Strabanzer hin.
Rudi-Rudij: Das habe ich gestern nacht einem Pennerpoeten vor der Bar Central abgekauft.
Strabanzer, liest:
Armut ist eine Blume
Mit empfindlichen
Blättern.
Kauf ich dir ab.
Rudi-Rudij: Geschenkt.
Strabanzer: Das ist das Motto für das Othello-Projekt.
Rudi-Rudij küßt ihn leicht auf die Stirn.
Rudi-Rudij: Komm halt.
Strabanzer: Wenn ich schwul wäre, käm ich zu keinem lieber als zu dir.
Rudi-Rudij: Schwul ist man nicht, das wird man.
Strabanzer: Sobald ich’s bin, komm ich.
Rudi-Rudij: Wenn das Luder dich kassiert, bring ich sie um.
Strabanzer: Das kannst du mir überlassen.
Strabanzer sitzt und schaut den Bierdeckel an.
VI.
Die Kronprinzen-Suite in Herrsching, genau nachgebaut im Studio. Joni und Arthur Dreist, der den Kunsthändler darstellen wird, schon in hellgrünen Morgenmänteln. Strabanzer läßt das Studio-Personal wissen, daß er noch eine halbe Stunde mit den Schauspielern allein sein muß. Rudi-Rudij, der Mann für die Ausstattung, der Produktionsleiter und die Frau fürs Kostüm sitzen an einem Arbeitstisch. Strabanzer und die zwei Schauspieler sind in der Szene allein.
Strabanzer: Erste Frage: Wie stellt ihr euch den Beischlaf vor?
Arthur schaut Joni an.
Joni: Gar nicht.
Strabanzer: Findet nicht statt?
Joni: Laut Bocca di Leone-Ästhetik wird nichts vor der Kamera gemacht, was nicht wirklich gemacht wird. Nichts wird imitiert.
Strabanzer: Aber wenn ihr wirklich miteinander vor der Kamera schlafen würdet, das wäre keine Imitation.
Joni: Tun wir aber nicht.
Strabanzer: Arthur?
Arthur: Ja, was soll ich da sagen? In allen Filmen, in denen ich mitgemacht habe, hat man das irgendwie
Weitere Kostenlose Bücher