AnidA - Trilogie (komplett)
Beschäftigung mit Nadel und Faden. Vor ihm spulte Feddo der Hinker sein altgewohntes Lamento darüber ab, dass die Dorfkinder ihm »seinen« Fluss leer fischten. Joris faltete die großen Hände vor dem Bauch und nickte in Abständen, ohne dem Alten auch nur die mindeste Aufmerksamkeit zu schenken. Sein breites, wettergegerbtes Gesicht mit der kräftigen Nase und der tiefen Falte zwischen den buschigen Brauen zeigte dennoch nichts als wohlwollende Aufmerksamkeit, eine Fähigkeit, die er sich in langen, ermüdenden Sitzungen während der Gerichtstage und der endlosen Lordversammlungen erworben hatte. Es war zum Ersticken heiß in der großen Gemeindehalle. Joris' Gedanken schweiften unaufhaltsam ab, während Feddo begann, ins Detail zu gehen. Haubenbarsche und Schleien kämpften um die Aufmerksamkeit des Lords und verloren kläglich.
Er hätte sich gewünscht, dass Albuin ihn zu diesem Gerichtstag begleitete, aber der Junge war wieder einmal unauffindbar gewesen. Joris seufzte leise und verlagerte sein schmerzendes Gesäß auf dem harten Sitz. Er wurde langsam alt, das wurde ihm zu seinem Bedauern in letzter Zeit immer öfter bewusst. Es hatte ihm auch früher schon Unbehagen bereitet, wenn er längere Zeit still an einem Fleck sitzen musste, aber seit einigen Monaten quälte ihn zudem auch noch sein Rücken. Er lockerte unauffällig seinen beengenden Gürtel und seufzte wieder. Der Lord von Sendra war sein Leben lang ein breit gebauter, stattlicher Mann gewesen, aber mit den Jahren und dem zunehmenden Grau in seinem dunkelblonden Haar hatte er deutlich an Gewicht zugelegt. Inzwischen waren es nicht mehr allein Muskeln, die sein dunkelbraunes Wams auspolsterten.
Feddo der Hinker war jetzt wie immer bei den alten Zeiten angelangt, wo die Jugend noch Respekt vor dem Alter gezeigt hatte, ganz anders als die frechen Burschen von heute ... Joris nickte und machte zustimmende Geräusche.
Er müsste bald einmal mit seinem Sohn und Erben reden. Es war gut und schön, die Erziehung des Jungen dem Lord-Kämpen zu überlassen – wie sonst hätte er den jungen Ritter auch beschäftigen sollen. Die Tage der Fehden zwischen den Lords des Hierarchen waren schon seit den Zeiten seines Großvaters vorbei. Aber Albuin war kein Kämpfer, leider nicht. Er war ein stiller, verschlossener Knabe, der sich viel lieber mit einem alten Buch in seinem Zimmer vergrub oder den Spinnen zusah, wie sie im alten Obstgarten ihre Netze spannen, als beispielsweise mit seinem Vater auf die Jagd zu gehen. Joris seufzte wieder, was den alten Feddo fälschlicherweise ermutigte, sich noch heftiger über die Jugend von heute zu ereifern. Joris blickte fasziniert auf die Speicheltröpfchen, die von Feddos Lippen sprühten, und ließ seine sorgenvollen Gedanken wieder zu seinen Kindern wandern.
Der Junge war jetzt alt genug, um in seine Aufgaben als zukünftiger Lord von Sendra eingewiesen zu werden. Er würde ein ernstes Wort mit seinem Erzieher wechseln müssen. Joris blinzelte unbehaglich. Der junge Lord-Kämpe hatte etwas an sich, was ihn unangenehm berührte. Simon zeigte immer formvollendete Höflichkeit und Aufmerksamkeit, wenn sein Herr mit ihm sprach, aber unter der beflissenen Oberfläche schien eine herablassende Erheiterung, eine subtile Arroganz zu schlummern. Joris runzelte die Stirn. Der Lord-Kämpe war ganz offensichtlich viel zu ehrgeizig, um als Erzieher eines Knaben zufrieden sein zu können. Joris war ein schlichter, gradliniger Mann, sicherlich keine Geistesgröße, aber nicht gar so einfältig, wie er auf den ersten Blick erscheinen mochte. Etwas an der kühlen, hochmütigen Art seines Kämpen stieß ihn ab, ohne dass er hätte sagen können, was genau es war. Er wünschte sich nicht zum ersten Mal, dass seine geliebte Aurika noch am Leben wäre. Sie war so klug wie schön gewesen, und im Gespräch mit ihr hatte sein schwerfälliger Kopf so manches Mal die nötige Klarheit bekommen, um verzwickte Probleme lösen zu können.
Und Amali, sein Augapfel, das Glück seines nahenden Alters? Amali war inzwischen zu einer wahren Schönheit erblüht, darin ganz und gar das Ebenbild der toten Aurika, aber was ihre geistigen Fähigkeiten betraf ... nun ja, die hatte anscheinend vollständig seine Jüngste geerbt, die störrische kleine Ida.
Joris schmunzelte verhalten. »Klein« war allerdings nicht ganz die passende Beschreibung für seine Tochter. Das magere, unansehnliche Kind war zu einem hoch aufgeschossenen, mageren und immer noch
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