0831 - Wurzel des Bösen
Kaltes Eisen drückte gegen seine Wange, kalter Wind strich über seinen Rücken. In seinem Mund schien sich ein großer Bausch Watte zu befinden - hinter den Schläfen übte eine Banausenband Marschmusik.
Dieser Zustand war für ihn nicht neu, doch er hatte seine Auswirkungen beinahe schon vergessen. Brik Simon war kein Freund des Alkohols. Jetzt nicht mehr, denn in seinen wilden Jahren in London, der pulsierenden Heimatstadt des Autors von populärwissenschaftlichen Büchern über Parapsychologie, hatte er bei kaum einer der Spontanorgien gefehlt, die seine Freunde auf die Beine gestellt hatten.
Das war schon lange her. Und Brik hatte es nie vermisst.
Langsam erhob er sich von dem Bett, in das er sich in voller Montur hatte fallen lassen. Wann? Irgendwann in der vergangenen Nacht, an eine Uhrzeit konnte er sich wirklich nicht erinnern. Verdutzt blickte er auf den Schürhaken, der wohl unter ihm gelegen hatte. Damit war das kalte Gefühl an seinem Gesicht erst einmal erklärt; warum er die Nacht mit einem Schüreisen im Arm verbracht hatte, wollte sich ihm allerdings nicht erschließen.
Der kalte Hauch, der ihn schlussendlich geweckt hatte, rührte vom geöffneten Fenster her. Warum nur hatte er sich in seinem reichlich benebelten Zustand in die obere Etage des alten Pfarrhauses geschleppt? Als er das Schüreisen in die Hand nahm, war da plötzlich eine dumpfe Erinnerung.
Brik blickte auf die quadratische Tür, die zum Dachboden führte. Genauer gesagt in eine Art Gang, der als Verbindung diente. In alten Zeiten hatte man diesen Verschlag als zusätzlichen Lagerraum genutzt. Koffer, Truhen, alte Kleidung - alles hatte dort seinen Platz gefunden.
Als Brik Simon mit seiner damals frisch angetrauten Frau Tina in dieses Haus gezogen war, hatten die beiden es nicht anders gehalten. Zunächst einmal waren ihre Koffer und geleerten Umzugskisten hinter der Holztür verschwunden.
Es dauerte nicht lange und Brik hatte, durch seltsame Geräusche unter dem Dachstuhl misstrauisch geworden, die Lage dort inspiziert. Er fand zerfetzte Kartons und durchgebissene Koffer vor. Kleine, gemein scharfe Zähne hatten ganze Arbeit abgeliefert.
Marder!
Nichts Besonderes, wenn man in Deutschland auf dem Land wohnte. Und für Tina, die ja hier im Sauerland geboren war, schien dieser ungebetene Untermieter so etwas wie ein Glücksbringer zu sein. Ein Marder - der gehörte unter jedes ordentliche Dach. Und wenn schon nicht er, dann doch zumindest eine Kolonie Fledermäuse.
Dieser Marder No. 1 lebte schon lange nicht mehr. Brik hatte ihn tot am Straßenrand gefunden, damals, als die Schwarze Hand von Taarnfeld hier ihr Unwesen getrieben hatte. [1] Das war nun auch schon über drei Jahre her. In der Zwischenzeit hatte sich hier längst ein Nachfolgepärchen in das gemachte Nest gesetzt. Und die hatten Briks Nervenkostüm reichlich angespannt.
In manchen Nächten hatten sie ihn bis zur Weißglut gereizt. Man sollte kaum glauben, welchen Lärm so kleine Füßchen veranstalten können. Einige Male war Simon auch beinahe bereit gewesen, die Ratschläge von Nachbarn anzunehmen - Fallen, Gift -, aber das hatte er dann doch nie übers Herz gebracht.
Und nun… in der vergangenen Nacht…?
Es schien so, als habe er in seinem alkoholisiertem Zustand seinen little demons einen letzten Besuch abgestattet. Einen recht heftigen, denn die Holztür war in einem ziemlich demolierten Zustand. Brik schüttelte den Kopf. Kam es denn darauf jetzt noch an? Sicher nicht.
Nur noch wenige Stunden, dann würden Herr und Frau Marder zwangsgeräumt. Wenn sie sich durch den von Simon verursachten Lärm nicht eh schon anderweitig einquartiert hatten. Marder hatten immer ihre Ausweichmöglichkeiten. Die Tiere waren schlau. Mit Sicherheit schlauer als Brik Simon, dem nun übel wurde. Der Alkohol suchte sich einen Weg aus seinem Körper.
Und wenn Brik sich nun nicht ganz schnell in eines der Bäder begeben würde…
***
Villeroy & Boch - das war der Name des Herstellers des WCs.
Brik war dem blauen Schriftzug, der in die Emaille eingebrannt war, sehr nahe gekommen, als sein Magen heftig rebellierte. Eine Info, auf die er gut und gerne hätte verzichten können.
Die Wasserspülung funktionierte glücklicherweise noch. Aber das würde sich in kürzester Zeit ändern. Mühsam schleppte sich Simon die Treppenstufen hinunter, schlich in die Küche, in der es jetzt nur noch einen uralten Holztisch und den passenden Stuhl dazu gab.
Alles andere war bereits
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