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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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markiert.«
    »Julita, ein bisschen Respekt, wenn ich bitten darf!«
    »Nix Respekt, Evelio. Behauptet er doch glatt, er müsse Konsultationen abhalten. Alles Märchen und Lügen. Alles Quatsch!«
    »Nein, Julita, aber …«
    »Ich seh schon. Du glaubst also auch an diesen ganzen Zauber, Pedro Juan. Es ist alles Quatsch. Alles Märchen. Ich glaube an das, was ich mit meinen Händen berühren kann. Aber Dinge, die man nicht sehen kann, die irgendwo in der Luft …«
    »Verdammt, und als dir die Füße neulich nachts ausschlugen? Und du schluchzend aufwachtest und dir vor Angst in die Hosen geschissen hast? Ja, da kamst du gelaufen, damit ich dich reinige und dir den Toten vom Halse schaffe.«
    »Ach, das waren Träume, und ich war ein bisschen überdreht.«
    »Träume? Von wegen, du warst ganz wach, und deine Pfoten schlugen weiterhin aus.«
    »Füße.«
    »Ist doch egal.«
    »Ach, ich war nur ein bisschen überdreht. Jede Nacht derselbe Scheiß. Pedro Juan, dieser Mann ist Ingenieur. Er hat studiert, er war Professor an der Universität. Sag es mir offen: Hat er es nötig, an solche Scharlatanerie zu glauben, die irgendwelche zurückgebliebenen Neger aus Afrika mitgebracht haben? Ich habe nicht studiert. Mit Ach und Krach habe ich die mittlere Reife geschafft. Aus Unvernunft, weil ich keine Bücher mag und nicht gerne lerne, aber dieser Mann hier ist ein gescheites Kerlchen …«
    »Julita, schon tausendmal habe ich dir gesagt, dass ein Studium nichts mit Religion zu tun hat. Pedro Juan, hör dir an, was ich zu sagen habe. Ich war genau wie Julia, und ich habe an der Universität unterrichtet, war in der Gewerkschaft und bei der Mobilmachung und all das. Kurz, ich glaubte an nichts. An absolut nichts. Mein Vater, der hatte seine Santos. Das war sein Ding fürs Leben, von Kindheit an. Aber heimlich. Nicht seinetwegen, sondern um seinen Kindern und der Familie nicht zu schaden. Er hielt alles in einem Zimmer verschlossen, und nur wir in der Familie wussten von dem Hokuspokus. Weder gab er Konsultationen noch sonst etwas. Aber es kommt noch besser. Lange Zeit war er Dirigent und reiste nach Bulgarien und in die Sowjetunion. Ein Hansdampf in allen Gassen. Na, die Zeit verstrich, er ging in den Ruhestand, wurde alt, und es kam der Moment, da begann er den Kopf zu verlieren. Ganz plötzlich. Ohne Krankheit. Er war zweiundsiebzig, aber ganz gesund. Er verlor jede Kontrolle, faselte wirres Zeug, vergaß sogar die Essenszeiten, schlief nicht, und seine Hände begannen zu zittern. Er brach auf in die Berge, und man musste ihn suchen gehen, denn er verirrte sich und kam nicht mehr zurück. Daraufhin begannen meine Probleme: Nachts trat ich mit den Füßen aus, und ich wurde ohnmächtig. Wenn ich dann wieder zu mir kam, erzählte man mir, ich hätte eine Stunde lang wie ein Kongoneger gesprochen. Manchmal hatte ich so eine Eingebung wie ein Verrückter und lief davon in die Berge bis zu einem Korallenstrauch zehn Kilometer von hier entfernt. Ich lief! Und kam weder röchelnd noch atemlos an. Ich suchte ein paar Kräuter und kauerte mich zwischen die Wurzeln des Strauchs, um ein Werk vorzubereiten. Ich mochte wohl ein paar Stunden da gewesen sein. Ich brachte es zu Ende und kehrte nach Hause zurück.«
    »Und du hattest keine Kontrolle über dich?«
    »Ich hatte keine Kontrolle über mich. Es war, als sei ich durchgeknallt. Und mein Vater genauso. Es war, als hätten wir beide den Verstand verloren. Daraufhin suchte ich den Babalao, den Paten meines Vaters, auf. Und der sagte mir: ›Dein Vater wird bald sterben, doch zuvor muss er die ganze Santería auf dich übertragen. Solange du sie nicht empfangen hast, stirbt er nicht.‹«
    »Dieses Märchen habe ich schon tausendmal gehört, Evello. Immer, wenn du einen Schluck trinkst, erzählst du dieselbe Geschichte.«
    »Aber es ist die Wahrheit, Julita. Ich erzähle keine Lügen.«
    »Und wie ging das Ganze aus?«
    »Wie es mir der Babalao gesagt hatte. An einem Montag übertrug er mir alles. Und starb am Mittwoch. Ganz ruhig, in seinem Bett, in der Nacht. Und seitdem kommen wir hier langsam voran, denn in diesem Haus fehlt es jetzt an nichts.«
    »Die Santos wissen schon, was sie tun, Evelio. Lass dich nicht verarschen. Aber ich weiß auch, was ich weiß. Und ich weiß, dass kein Santo vom Altar herabsteigen wird, um mir fünfzig Dollar in die Hand zu drücken. Die Santos hier nähren sich von Erde, aber ich will Schinken. An dem Tag, an dem wir in der Lotterie gewinnen und man uns

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