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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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Sandra la Cubana sagen würde, und zum Teufel mit allem anderen. Versuch nicht, die Welt in Ordnung zu bringen.« Und so tat ich’s dann auch. Ich ging ins Wasser und schwamm eine Weile.
    Das blaue kalte Wasser tat das seine. Eine halbe Stunde später war ich gestärkt, entspannt und hatte alle Ängste und den dunklen Aspekt des Lebens vergessen. Jetzt war ich wieder ganz bei Kräften. Ich warf mich hin, um Sonne zu tanken, und dachte daran, dass ich vor dreißig Jahren erst zwanzig war. Ich war jung, ahnungslos und glücklich. Ich glaubte an etwas und strebte danach; wusste nicht genau, wonach. Doch zu der Zeit glaubte ich noch, suchte und wollte unbedingt etwas finden. Ich schloss die Augen und ließ meinen Verstand ins Leere laufen.

7
    Ziemlich benommen wachte ich auf, so träge und verschlafen wie ein Kaiman in der Sonne. Ich ging ins Wasser, schwamm ein bisschen und erfrischte mich. Wie spät mochte es sein? Die Ruhe und Stille hielten an, fast niemand war in der Nähe. Ich brauchte ein Aspirin und ein schön kaltes Getränk. Ich machte mich auf den Weg. Nach Havanna zurückkehren? Nein, es war noch sehr früh. Dann fand ich eine Apotheke, die geöffnet hatte. Ich wandte mich an die Verkäuferin, doch die drehte mir den Rücken zu, genervt, keine Ahnung, warum, und erwiderte mit zusammengebissenen Zähnen:
    »Kein Aspirin da. Nirgends, Sie brauchen gar nicht anfangen zu suchen.«
    »Aber manchmal …«
    »Wenn es welches gibt, ist es eine halbe Stunde später ausverkauft. Es wird sehr wenig geliefert. Und seit drei Monaten ist niemand gekommen.«
    Ich trank zwei chemische Orangenlimos und stieg auf einen Hügel in dem Waldgebiet, in dem Evelio und Julita wohnen. Seit Jahren hatte ich sie nicht mehr gesehen. Als wir uns das letzte Mal sprachen, liefen sie in Havanna von einem Büro zum anderen. Sie wollten nach Venezuela reisen und natürlich dort bleiben. Julita hatte dort in einem kleinen Dorf eine Nichte, und sie hatten all ihre Hoffnungen auf die Nichte und das kleine Dorf gesetzt. Das Problem war, dass nur die beiden ausreisen durften. Die Kinder mussten hier bleiben. Sie flehten elftausend heilige Jungfrauen an, schworen, dass sie zurückkommen und nicht um Asyl bitten würden. Aber sie erreichten nichts. So blieben sie allesamt hier.
    Sie wohnen an einem schönen Fleckchen, zweihundert Meter vom Strand entfernt. Jedes Haus ist von Bäumen und einem Garten umgeben. Ich überquerte ein Baseballfeld. Ein paar Jungs tobten sich darauf aus. Ich fragte denjenigen, der das Mittelfeld deckte:
    »Wie steht das Spiel?«
    »Sechzehn zu sechzehn im dritten Inning.«
    »Junge, Junge, seid ihr Flaschen! Schämt ihr euch nicht?«
    »Hören Sie, Señor, keine Beleidigungen, bitte!« Ich setzte meinen Weg fort. Lausige Ballspieler. Ich ging zu dem Waldstück und fand das Haus. Evelio war in kurzer Zeit sehr grau geworden. Er war gerade in einem Käfig voller stolzer Hähne zugange. Neben dem Haus waren im Schatten der Mango- und Avocadobäume dreißig Käfige aufgestellt. Wir sahen uns an, aber er erkannte mich nicht. Ich blieb auf dem Gehsteig stehen und rief ihm zu:
    »Hören Sie, Señor, sind diese Hähne zu kaufen?«
    »Himmel, Pedro Juan, ich habe dich gar nicht erkannt, Kumpel!«
    »Es ist Jahre her, seit wir uns zuletzt gesehen haben.«
    »Komm rein, komm rein!«
    »Hübsche Hähne sind das, gehören sie dir?«
    »Ja. Irgendetwas muss ich ja tun.«
    »Finden hier Hahnenkämpfe statt?«
    »Aber klar doch, überall hier im Gestrüpp. Immer am Sonntag. Heimlich, natürlich, wie alles. Gefallen dir solche Kämpfe?«
    »Mmmhm, von klein an. Aber ich habe nicht die Geduld, welche aufzuziehen.«
    »Du setzt also nur.«
    »Ich setze. Mit elf habe ich beim Hahnenkampf in Matanzas angefangen, Eis zu verkaufen. Und da hat es mich dann erwischt, du weißt schon. Die Taschen voller Pesos, wer kann da widerstehen?«
    »Du musst heimlich gesetzt haben, denn in dem Alter …«
    »Ich wettete von außen, hatte meine Punkte und gewann ganz schön. Für Hähne habe ich einen Blick.«
    »Weil du sie magst. Wer Hähne mag, hat einen Instinkt, kennt den Sieger.«
    Evelio hatte zwei Flaschen Schnaps. Angeblich, um ihn den Hähnen übers Gefieder zu blasen. Offenbar war er unter diesem Vorwand den ganzen Tag über halb betrunken. Er erzählte mir, dass er sonntags eine Baptistenkirche besuchte, in der Versammlungen der Anonymen Alkoholiker stattfanden. Ich schnappte mir eine Flasche, und wir setzten uns auf die Türschwelle. Vom Meer her

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