Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
Vom Netzwerk:
wehte eine nahrhafte Brise. Man trank einen Schluck und spürte ihre Dichte.
    »Also, wie ist es nun, Evelio, gehst du sonntags in die Kirche oder zum Hahnenkampf?«
    »Das hängt davon ab, wie ich mich beim Aufstehen fühle. Die Hähne mag ich lieber. Aber mit dem Alkohol muss ich aufhören. Meine Leber spielt nicht mehr mit.«
    »Hast du ein Aspirin, Evelio?«
    »Wofür?«
    »Für meine Kopfschmerzen.«
    »Wenn’s weiter nichts ist. Olgaaaa! Olgaaaa!«
    Die Nachbarin trat gleich aus der Tür, als sie das Geschrei hörte. Evelio bat sie um Aspirin.
    »Nein, ich habe nur Paracetamol. Von den Amis. Ist noch besser als Aspirin.«
    »Ganz egal. Bring eins für meinen Kumpel.«
    Ich schluckte eins mit Schnaps, und vielen Dank, Olga. Schweigend saßen wir da. Wir hatten nichts, worüber wir reden konnten. Bis es mir wieder einfiel:
    »Evelio, was hast du mir über die Hähne und Santería gesagt?«
    »Dass ich diese Hähne halte, weil ich mir vor Jahren einen Santo zulegte. Und der verlangte von mir Hähne.«
    »Ja? Er will Hähne?«
    »Ach, du hast ja keine Ahnung. Manche wollen Zicklein, Schafe, schwarze Hennen, Schlangen, Tauben. Und sie nehmen dir alles weg. So kann ich zum Beispiel weder Fahrrad noch Motorrad oder Auto fahren. Die Religion ist sehr kompliziert. Ich fing an mit zwei Hähnen und einer kleinen Henne, und ich habe schon eine Zucht, die jeden Preis wert ist, den ich verlange. Diese Tiere sind alle Gewinner. Schon im Ei haben sie ihr Gefieder gesträubt.«
    Erneutes Schweigen. Zwei, drei Schluck Schnaps, reinstes Höllenfeuer, und ich noch dazu auf leeren Magen. Evelio sagte zu mir:
    »Hier, schau mal. Das zeige ich niemandem.«
    Er zeigte mir die Näpfe, die Eisen und die Suppenschüsseln der Santos. All das hatte er in einem Schränkchen mit Türen im Wohnzimmer verborgen. Wir gingen zurück zum Eingang und tranken weiter Schnaps. Dann setzte er sich in den Sessel und sah nachdenklich hinauf zur Decke. In den Händen hielt er das blaue Halsband von Yemayá. Er spielte damit, schwieg einen Moment und sagte dann zu mir:
    »Vor kurzem hast du eine gute Entscheidung getroffen. Und sie wird Früchte tragen. Sie hat dich Arbeit gekostet, du warst ziemlich unentschlossen, hattest sogar Angst, sie könnten dich ins Gefängnis stecken, aber du hast einen guten Führer. Hab keine Angst und geh forsch voran. Es war eine Entscheidung mit Papieren und allem, aber das liegt jetzt hinter dir, und du hast, wie gesagt, die richtige Karte gezogen. Jetzt … werde ich dir noch etwas sagen … du hast stets einen Afrikaner und einen Indianer bei dir. Beide sind stark und weichen dir nicht von der Seite.«
    »Das bekomme ich bei Konsultationen immer gesagt.«
    »Das muss man dir sagen, denn sie sind da. Keinen Zoll weichen sie von deiner Seite. Doch du kümmerst dich nicht genug um sie. Na ja … also auf den Indianer gibst du schon Acht, wendest dich ihm zu und stellst ihm Blumen hin, aber den Neger würdigst du keines Blickes. Du hast ihn verdrängt.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Aha, siehst du. Du musst dich aber um beide kümmern. Dank des Indianers bist du intelligent, und dank des Negers bist du stark und kämpferisch. Beide sind wichtig für dich, weil sie sich ergänzen. Einer unterstützt den anderen. Verstehst du?«
    »Ja, natürlich.«
    »Der Neger ist knallhart. Durch ihn kommt niemand an dich heran. Er ist ein großer, starker Schwarzer, nackt, nur mit einem Lendenschurz aus Jute und einem roten Kopftuch. Du musst eine Kokosschale mit Rum oder Schnaps für ihn bereithalten und eine Zigarre. Nicht immer. Nur dann, wenn du daran denkst. Das gefällt dem Neger. Er mag Rum, Zigarren und Frauen. Sprich mit ihm. Du musst mit ihm sprechen und ihn um Gefallen bitten. Und von Zeit zu Zeit stellst du ihm eine rote Rose hin, oder ein purpurrotes Löwenmäulchen. Sein Fall sind rote Blumen. Alles Rote. Er ist kein Freund von Feiern und Rumba, sondern ist ein Neger der Berge. Scheu. Zeigt nie sein Gesicht, weil er sich stets im Dickicht verbirgt. Aber er weiß viel. Er ist stark, verschlagen und sehr mutig; ein kolossal tapferer Neger.«
    Da kam Julia. Evelio hatte das blaue Halsband von Yemayá in den Händen. Spielte damit, während er mir all das sagte. Er fühlte sich in flagranti ertappt. Schnell versuchte er, es zu verbergen, aber Julia hatte es schon gesehen.
    »Hey, Pedro Juan, was für eine Überraschung, dich hier zu sehen. Und dieser arme Schlucker da mit seinen Santos und Halsbändchen, der den Wahrsager

Weitere Kostenlose Bücher