Animal Tropical
gar nicht. Du schlotterst schon allein bei dem Gedanken an ein Töchterchen.«
»Ach …«
»Zudem habe ich davon geträumt. Und nicht nur einmal.
Dreimal habe ich dasselbe geträumt. Und an Träumen mangelt es mir nicht.«
»Was hast du geträumt?«
»Folgende Szene: Ich kam hoch zu dir in die Wohnung, und sie war ein fürchterlicher Saustall aus Trümmern und Balken und Staub, als sei gerade alles zusammengekracht. Daraufhin sagtest du zu mir: ›Ich bin jetzt müde, ich kann nicht mehr.‹ Du schnapptest dir das Fahrrad und gingst die Treppe hinunter, aber zwischen den Trümmern lag eine Nuckelflasche voll warmer Milch. Ich lehnte mich über die Dachbalustrade, um dir zuzurufen, dass du die Nuckelflasche vergessen hast. Du gingst schon die Straße entlang, zu Fuß, keine Ahnung, wo du das Rad gelassen hattest. Und weißt du, was du auf den Schultern trugst?«
»Nein.«
»Ein Baby. Ein kleines Mädchen, eingewickelt in rosa Wickelzeug, von der hübschesten Sorte.«
»Und das konntest du von ganz da oben sehen?«
»Na ja, es war halt ein Traum … Und in Träumen … na, du weißt schon. Also das war die Szene: Du bist mit dem Mädchen auf dem Arm herumspaziert, lächelnd, ganz fröhlich, und ich rief dir zu: ›Pedro Juan, die Nuckelflasche; Pedro Juan, die Nuckelflasche.‹ Und du konntest mich nicht einmal hören, so glücklich bist du mit deinem Töchterchen davonspaziert.«
»Ja? Vor dem Hintergrund eines Sonnenuntergangs und dem Himmel voller Geigen. Glatte Eins. Als Schauspielerin für Liebesgeschichten kriegst du eine Eins. Kitschiger als Torin Cellado.«
»Aber genauso war’s. Ich habe dich glücklich wie ein kleiner Junge gesehen.«
»Hör auf, Gloria, mach halblang.«
»Ohne alle Hintergedanken. Vielleicht bin ich ja gar nicht schwanger, und wir unterhalten uns hier nur zum Spaß. Wenn aber doch, werde ich es mir nicht wegmachen lassen, dass du es nur weißt. Ich-be-hal-te-es.«
»Fünfhundertmal hast du dich schon ausschaben lassen, Gloria, was macht da einmal mehr aus?«
»Dreimal. Drei Abbrüche habe ich gehabt. Und alle sind von meinem ganz offiziell angetrauten Ehemann gewesen, dem Vater meines Sohnes. Aber wenn ich jetzt schwanger bin, behalte-ich-es.«
»Verdammt, bist du von mir besessen?!«
»Wozu all das verliebte Getue und Geturtel, wenn du ihn mir reingesteckt hast? Wenn’s ums Vögeln geht, erzählst du mir das Blaue vom Himmel. Dann heißt es: Ach, wie ich dich liebe, und wie ich dich vergöttere, und du bist der Wahnsinn, und trallali und trallala. Doch sobald du dich ein bisschen abgekühlt hast, misstraust du sogar deinem eigenen Schatten.«
»Wie gesagt, rechne nicht auf mich.«
»Ich will hinterher keine Klagen.«
»Klagen worüber?«
»Meine Kinder leiden keinen Hunger, nur dass dir das klar ist. Ich werde mit dem Krämer vögeln und mit dem Fleischer und dem Milchhöker bis hin zu dem alten Dickwanst aus der Bäckerei. Ich werde über Stock und Stein gehen, durch das ganze Viertel.«
»Was du schon immer getan hast. Das ist nicht neu.«
»Okay, aber meine Kinder leiden keinen Hunger. Ich halte meine Möse allem hin, was sich aufrichtet, wie du sagst, aber ich treibe auch jeden Tag Essen auf.«
»Oh, Mutter Courage, du willst doch nur, dass man für dich die Internationale spielt und dir eine rote Schärpe umlegt.«
»Mach dich ruhig über mich lustig. Gott wird dich strafen, denn du wirst sehen, dass das Kind genauso sein wird wie du, und zwar haargenau. Sogar mit deinem starken Charakter und deiner Persönlichkeit, damit du im Alter …«
»Jetzt reicht’s. Halt den Mund und sieh zu, dass du weiterkommst; ich will runter, um zu sehen, was da auf der Straße los ist.«
»Altes Klatschmaul! Typisch Journalist.«
»Schriftsteller.«
»Schriftsteller! Schriftsteller müssen Kultur haben und gebildet sein und gut reden können, glaube ich. Du bist mehr Tier als ein Kalabar-Neger.«
»Es reicht, Gloria, es reicht.«
»Außerdem: Wo sind denn deine Bücher? Bislang habe ich noch keins gesehen.«
»Sie werden in …«
»Ja, in Spanien publiziert. Immer dasselbe Märchen. Und hier? In welcher Buchhandlung findet man sie? Du bist ein großer Lügner, und um es zu kaschieren, gibst du dich als Schriftsteller aus.«
»Hör jetzt auf mit dem Quatsch, du Flittchen, du machst einen ja wahnsinnig.«
»Ja, los, geh schon. Ich gehe jetzt nach Hause. Ach, meine Schwester hat dir übrigens ein paar Zigarren mitgebracht. Schau rein und nimm sie mit, wenn du wieder
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