Animus
erbitterte Kämpfe mit den Terroristen liefern, ziehen organisierte Banden und verschissene Einzelpersonen ohne Rücksicht auf Menschenleben ihren persönlichen Vorteil aus der unkoordinierten Lage. Aus allen großen Städten werden Schießereien und Plünderungen gemeldet. Der ganze kriminelle Abschaum nutzt das Chaos. Die Polizeikräfte sind in vollem Einsatz, stoßen jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten, da ein Großteil unserer Bevölkerung bewaffnet ist und rücksichtslos davon Gebrauch macht. Und zwar nicht zum eigenen Schutz, sondern um sich unrechtmäßige Vorteile zu verschaffen.«
March setzte sich an den Computer, gab etwas ein und drehte den Monitor zu uns. Das Filmchen, das er uns zeigte, war ebenso aufschlussreich wie seine Ausführungen.
Conrad Calvert saß im Oval Office am Schreibtisch. Das berühmteste Büro der Welt war von einem grauen Schmierfilm überzogen, vermutlich die Folge der Explosion und der Löscharbeiten. Die verrußten Vorhänge hinter Conrad waren zugezogen, die amerikanische Flagge links auf dem Bild war halb verbrannt. Er hatte die Füße, die in schmutzigen Springerstiefeln steckten, auf dem Tisch geparkt. Trotz des schicken Anzugs wirkte er deplatziert hinter dem gediegenen Schreibtisch. Auf Conrads fettigen dunklen Haaren saß eine Baskenmütze. Er nahm den Brieföffner, reinigte sich damit die Fingernägel und grinste dabei in die Kamera. »Hallo, du verblödetes amerikanisches Volk! Hier spricht Conrad, dein neuer Präsident auf Lebenszeit. Ich habe mich noch nicht so richtig in dieser Spießerbude eingelebt, aber fürs Erste will ich euch schon mal sagen, was auf euch zukommt: das Paradies nämlich, auch wenn ihr jetzt noch viel zu bescheuert seid, um es zu erkennen. Folgendes wird erlassen: Ab sofort gibt es keine Werbung mehr im TV. Auch all die anderen Religionen werden verboten. Latte macchiato wird verboten, überhaupt wird Milch im Kaffee verboten ….«
Conrad stellte eine ellenlange Reihe mit unsinnigen Verboten auf, versprach das verfassungsmäßig zugesicherte Glück des Individuums und propagierte die Anarchie als einzig gültigen Weg, dieses Glück zu erreichen. Zur Unterstreichung seiner Argumentation machte er eindeutige Masturbationsbewegungen und stöhnte dabei grinsend in die Kamera. Kurz, er gab vergnügt die Vorstellung, die von ihm erwartet wurde: die eines Wahnsinnigen.
»Wieso habt ihr noch nicht gestürmt?«, fragte ich angewidert.
»Weil er noch etwa vierzig Angestellte des Weißen Hauses als Geiseln hat. Darunter die First Lady und das First Teenie«, gab Snyder zur Antwort.
»Wie ist die Truppe überhaupt ins Weiße Haus reingekommen?«, wollte ich weiterhin wissen.
March warf einen Seitenblick auf Lucy und sagte: »Überraschungsmoment, ermöglicht durch die nicht unwesentliche Mithilfe der hier anwesenden Dame, durch Chaos, Panik und nicht zuletzt mit jeder Menge geklauter Feuerwehruniformen. Niemand hat nach der Explosion einen Sicherheitscheck bei den Feuerwehrmännern gemacht oder ihnen gar den Zutritt verweigert. Auch wenn sie überraschend schnell vor Ort waren. Wir hatten alle Hände voll zu tun, den herumpfeifenden Kugeln auszuweichen.«
»Und was haben Sie vor?« Lucy überging scheinbar ungerührt den an sie gerichteten Vorwurf.
Snyder nippte vornehm an seinem Kaffee. Er bewahrte selbst im Schützengraben eine stilvolle Note. »Dieser Irre hat das Kameraüberwachungssystem vom Weißen Haus abschalten lassen. Aber einer unserer Spezialisten ist über einen anderen Server wieder rein. Wir können also jedes Zimmer, jeden Flur sehen. Ohne dass die es wissen. Die Geiseln – abgesehen von der First Lady und ihrer Tochter – sind in der Lobby zusammengepfercht. Im Moment machen wir eine Aufstellung, welche Strategie den geringsten Kollateralschaden verursacht.«
»Also stürmen«, fasste ich zusammen.
Snyder nickte. »Was sonst? Wir nehmen beide Geheimgänge als Einfallsschleusen. Das heißt, wir kommen über den Kartenraum im Erdgeschoss der Residenz und durch den Kabinettraum im Westflügel, nur zwei Türen von der Lobby entfernt. Über die Kameras und über Funk können wir erfahren, wann Calverts Leute ihre Patrouillen in den entsprechenden Fluren und Zimmern beendet haben.«
»Es wird trotzdem jede Menge Tote geben. Wo sind die First Lady und ihre Tochter, wenn nicht in der Lobby bei den anderen Geiseln?«
Snyder und March schwiegen.
»Marc hat gesagt, dass Conrads Mannschaft kaum noch aus Idealisten besteht. Er hat
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