Anita Blake 06 - Tanz der Toten
Als ich Damian die Schale an die Lippen setzte, war das Blut schon ziemlich aufgebraucht.
Er trank, sein blasser Hals schluckte. Das Blut rann in seine Kehle, und ich wurde von etwas berührt. Von etwas. das nicht meine Magie war. Von etwas ganz anderem. Damians Brust hob sich heftig wie bei einem halb Ertrunkenen, der sich ins Leben zurückkämpft. Und dieses fremde Etwas stieß mich weg von ihm, warf meine Macht raus und kehrte sie gegen mich. Es war, als würde eine Tür zuschlagen, aber es war noch mehr als das. Eine Kraft schlug nach mir, traf mich, und die Welt drehte sich. Ein Grau mit weißen Flecken verschlang mein Sehvermögen. Ich hörte meinen Herzschlag mit unmöglicher Lautstärke, er hetzte mich in die Dunkelheit, dann war selbst die verschwunden.
33
Beim Aufwachen sah ich über mir die weißen Vorhänge von Jean-Claudes Bett. Auf meiner Stirn lag ein feuchter Waschlappen, und da waren Stimmen, die miteinander stritten. So lag ich ein paar Sekunden lang da und guckte verständnislos an die Decke. Ich konnte mich nicht entsinnen, wie ich hierhergekommen war. Ich erinnerte mich, dass mich etwas aus Damian vertrieben hatte. Ich war wie ein Eindringling rausgeworfen worden, wie jemand, gegen den man sich schützen muss. Es war keine böse Kraft gewesen, die mich berührt hatte. Ich wusste, wie sich das Böse anfühlte, und dies war nichts Böses gewesen. Aber sicher war das auch keine gütige Kraft gewesen. Eher eine neutrale vielleicht.
Die da stritten, waren Jean-Claude und Richard. Der Streit drehte sich um mich. Welche Überraschung.
»Wie kannst du sie sterben lassen, wenn du sie retten könntest?«, fragte Richard.
»Ich glaube nicht, dass sie stirbt, aber selbst wenn: Ohne ihre Erlaubnis werde ich nie wieder in ihren Geist eindringen.«
»Nicht einmal, wenn sie im Sterben liegt?« »Nicht einmal dann«, antwortete Jean-Claude. »Das begreife ich nicht.« »Das ist auch nicht nötig, Richard. Anita würde mir zustimmen.«
Ich wischte mir den Lappen von der Stirn. Ich wollte mich aufsetzen, aber das schien zu anstrengend zu sein.
Richard setzte sich auf die Bettkante und nahm meine Hand. Ich war nicht sicher, ob ich das wollte, aber ich war zu schwach, um ihn davon abzuhalten.
Jean-Claude stand hinter ihm, er betrachtete mich. Sein Gesicht war eine perfekte Maske.
»Wie geht es dir?«, fragte Richard. Ich musste schlucken, ehe ich sprechen konnte. »Weiß nicht.«
Dominic kam ins Blickfeld. Er hatte sich klug aus dem Streit herausgehalten. Außerdem war er bereits menschlicher Diener eines Vampirs. Was würde er sagen? Dass das Zeichen böse war oder dass es keine große Sache war. Beides gelogen.
»Ich bin sehr froh, Sie wach zu sehen.« »Es hat mich rausgeworfen«, sagte ich. Er nickte. »In der Tat.« »Was hat sie rausgeworfen?«, fragte Richard. Dominic sah mich an. Ich zuckte die Achseln.
»Als die Kraft zurückkehrte, die dem Vampir Leben ein gibt, und Anita in dessen Körper vorfand, hat sie sie rausgedrängt.« Richard runzelte die Stirn. »Warum?« »Ich hätte da nicht sein dürfen.«
»Ist die Seele bei deiner Berührung zurückgekehrt?«, fragte Jean-Claude.
»Ich kenne das Gefühl, wenn man von einer Seele gestreift wird, das hier war anders.« Jean-Claude sah mich an.
Ich sah ihn an. Er wandte zuerst den Blick ab.
Richard strich meine Haare zur Seite, die von dem Waschlappen feucht geworden waren. »Mir ist es egal, ob es eine Seele oder der Buhmann war. Ich dachte, ich hätte dich verloren.«
»Scheint, als würde ich immer überleben, Richard, ganz egal, wer um mich herum draufgeht.«
Darauf machte er ein finsteres Gesicht.
Ich ließ ihn. »Geht es Damian gut?«, fragte ich. »So scheint es«, sagte Jean-Claude. »Worüber habt ihr beide gestritten?« »Dominic, könntest du uns jetzt allein lassen?«, fragte Jean-Claude.
Dominic lächelte. »Sehr gern. Ich bin begierig, mit Sabin zu sprechen. Morgen kannst du ihn mit Richard zusammen aus dem Sarg rufen, und Sie, Anita«, er strich mir ganz leicht über die Wange, »können ihn heilen.«
Ich mochte es nicht, dass er mich anfasste, aber er machte ein beinahe ehrfürchtiges Gesicht. Da war es schwer, ihn anzuschreien.
»Ich werde mein Bestes tun«, sagte ich. »Wie bei allem.« Damit wünschte er uns einen guten Tag und ging.
Als die Tür geschlossen war, wiederholte ich meine Frage. »Worüber habt ihr
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