Anita Blake 06 - Tanz der Toten
anders anfühlte, als er angekündigt hatte, würde mich das verunsichern. Er hatte recht gehabt.
Ich rührte mit dem Messer in dem Blut und spritzte es mit der Klinge auf die wartenden Zombies. Nur ein paar Tropfen trafen sie, aber bei jedem konnte ich ihn spüren, den Ruck, den Anprall der Macht. Ich endete in der Mitte des Raumes umringt von den Zombies. Als der letzte von dem Blut berührt wurde, ging eine Erschütterung durch mich, die mir den Atem raubte. Ich fühlte das Blut, wie es sich um die Toten schloss. Es war, als schlösse sich ein Machtkreis, aber mehr in mir selbst als in dem Raum.
»Zurück«, sagte ich, »zurück in eure Gräber, alle. Zurück in die Erde.«
Die Toten eilten an ihre Plätze wie Kinder bei der Reise nach Jerusalem. Als alle an ihrem Platz standen, legten sie sich nieder, und die nackte Erde floss über sie wie Wasser. Der Boden verschluckte sie und glättete sich über ihnen. als wäre eine große Hand gekommen, um alles ordentlich zu machen.
Ich war allein in dem Raum, wo die Erde zuckte wie ein Pferd, auf dem Scharen von Fliegen sitzen. Als die letzte Welle im Boden verebbt war, blickte ich durch die gesprengte Wand zu den anderen.
Jean-Claude und Richard standen an der Maueröffnung. Die drei Werwölfe drängten sich um sie. Sogar Cassandra kniete neben dem Wolf, der Jason war, auf dem Boden. Dominic stand zur Beobachtung hinter ihnen. Er grinste mich an wie ein stolzer Vater.
Meine Beine fühlten sich an wie Gummi, als ich zu ihnen ging, und ich stolperte und vergoss ein bisschen Blut über den Rand der Schale. Ein paar Tropfen fielen auf die glatt gefegte Erde.
Plötzlich stand der Wolf da und leckte den Boden sauber. Ich ignorierte ihn und ging weiter. Jetzt kamen die Vampire an die Reihe. Alle machten mir Platz, als hätten sie Angst vor einer Berührung. Außer Dominic. Er kam mir ein bisschen arg nahe.
Ich fühlte seine Macht zwischen uns knistern, sie kroch über meine Haut und die Taue der Macht entlang, die mich mit Richard und Jean-Claude verbanden.
Ich schluckte und sagte: »Halten Sie ein wenig Abstand.« »Verzeihung.« Er wich zur Seite, bis ich ihn nur noch ganz leicht spürte. »Besser so?« Ich nickte.
Die drei Vampire warteten mit hungrigen Augen. Ich besprengte sie mit dem erkaltenden Blut. Sie zuckten bei jedem Tropfen zusammen, doch es entstand kein Ansturm von Macht. Nichts. Scheiße.
Dominic runzelte die Stirn. »Das Blut ist noch warm. Es sollte funktionieren.«
Jean-Claude näherte sich. Um das zu wissen, brauchte ich mich nicht umzudrehen. Er kam an dem unsichtbaren Machtstrang zu mir wie ein Fisch an der Leine, der an Land gezogen wird. »Aber es funktioniert nicht«, sagte er.
»Ja«, bestätigte ich. »Dann sind sie verloren.«
Ich schüttelte den Kopf. Willie starrte auf die Schale mit Blut. Sein Blick war wild und hungrig. Ich hatte geglaubt, dass das Schlimmste, was passieren konnte, ein Willie wäre, der sich in seinen Sarg legte und für immer tot war.
Ich hatte mich geirrt. Ein Willie, der aus seinem Sarg krabbelte und nur noch Blut wollte, nur noch seinen Hunger kannte, wäre schlimmer. Ich wollte ihn nicht verlieren, noch nicht.
»Irgendwelche Geistesblitze?«, fragte ich. »Geben Sie ihnen das Blut in der Schale«, sagte Dominic, »aber schnell, bevor es ganz kalt ist.«
Ich widersprach nicht, dazu war keine Zeit. Ich wischte das Messer an meiner Jeans ab und steckte es weg. Ich würde die Klinge und die Scheide später reinigen müssen, aber ich brauchte beide Hände frei. Ich tauchte die Fingerspitzen in das Blut. Es war kaum noch warm. Es waren dieselben braunen Augen, die meiner Handbewegung folgten, aber es war nicht Willie, der da rausguckte. Leider nicht.
Ich hob die goldene Schale an seine Lippen und sagte: »Trink, Willie.« Seine Kehle bewegte sich, schluckte wie wild, und ich spürte diesen Knack. Er war wieder der meine. »Halt, Willie.«
Er hörte auf, und ich nahm die Schale von seinem Mund. Er versuchte nicht, danach zu greifen. Er bewegte sich überhaupt nicht. Die Augen über dem blutigen Mund waren blank und leer. »Geh zurück in deinen Sarg, Willie. Ruhe bis zur Dunkelheit. Geh, leg dich zur Ruhe.«
Er drehte sich um und ging den Korridor hinunter. Ich würde darauf vertrauen müssen, dass er sich in seinen San, legte. Ich würde später nachsehen. Einer erledigt, blieben noch zwei. Liv ging wie eine brave kleine Marionette.
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