Anleitung zum Müßiggang
Löhnen zu leben und die Lebensmittel zu kaufen, die sie in früheren Generationen vielleicht selber angebaut hatten. Mag sein, dass sie nun mehr Geld verdienten, aber ihrer Lebensqualität wurde ein schrecklicher Schlag versetzt. Fröhliches Durcheinander, Arbeit im Einklang mit den Jahreszeiten, die Uhrzeit am Sonnenstand erkennen, Vielfalt, Abwechslung, Eigenregie: all dies wurde durch eine brutale, genormte Arbeitskultur ersetzt, an deren Auswirkungen wir noch heute leiden.
Mit anderen Worten: Der Job wurde erfunden, um für die oben alles einfacher zu machen. Den Leuten wurde ihre Unabhängigkeit genommen, um dem erhabenen Traum eines gesellschaftlich aufstrebenden Fabrikbesitzers dienlich zu sein, der an harte Arbeit glaubte – die anderer Leute. G.K. Chesterton formulierte es in What’s Wrong with the World (1910) folgendermaßen:
Die Reichen warfen die Armen buchstäblich aus dem alten Gästehaus hinaus auf die Straße und teilten ihnen kurz mit, dies sei die Straße des Fortschritts. Sie zwangen sie buchstäblich in Fabriken und die moderne Lohnsklaverei, während sie ihnen unentwegt versicherten, dies sei der einzige Weg zu Wohlstand und Kultur.
Denn was ist Fortschritt? Clint Eastwoods Prediger in dem Film Pale Rider fasst die Sache elegant in Worte. Als ihm ein Geldsack aus der heimischen Gemeinde erzählt, dass eine Gruppe unabhängiger Goldgräber, die sich weigert, ihr Land zu räumen, um seiner Firma Platz zu machen, »dem Fortschritt im Wege steht«, fragt Clint schlicht: »Deinem oder ihrem?«
Die Vorherrschaft von Uhr und Maschine entriss uns der Natur. Und der französische Gelehrte Thierry Paquot, Verfasser von L’art de la sieste (1998) beklagt den Verlust der natürlichen Lebensweise:
Der wandernde Landarbeiter, der zu Siestas und Träumen neigt, aber auch zur Arbeit bereit ist, wird seine täglichen Aktivitäten nicht mehr je nach Stimmung planen können. Er wird einem von außen aufgezwungenen Zeitplan gehorchen müssen, der seiner Lebensweise völlig fremd ist. Die Feldarbeit ist lange Zeit dem Ticken der Uhr aus dem Weg gegangen und hat Landbewohnern gestattet, ihre Zeit mit der der Natur in Einklang zu bringen ...
Wie konnten es die sturen und freiheitsliebenden Briten zulassen, dass sie Diener des Kapitalismus wurden, in einem »Sklavenstaat«, wie Bertrand Russell ihn 1932 in seinem Essay »In Praise of Idleness« nannte? Das größte Problem der Industriellen Revolution war, wie eine Bevölkerung aus willensstarken, auf ihre Unabhängigkeit pochenden, trinkfesten, feierfreudigen, zu Krawall neigenden, das Leben liebenden Engländern in eine gefügige, disziplinierte, dankbare Belegschaft umgewandelt werden konnte. Im Jahr 1835 verfasste ein prominenter Moralphilosoph – heute nennen wir sie Management-Gurus – namens Andrew Ure ein sich an die neuen Bosse richtendes Buch mit dem Titel Philosophy of Manufactures , in dem er von den Schwierigkeiten schrieb, mit einer Nation von Nichtstuern fertig zu werden, und den Rat gab, zur Gehirnwäsche zu greifen. Er sprach von dem Problem wie von einer Bekehrung:
... es erweist sich als beinahe unmöglich, Menschen, die das Alter der Pubertät hinter sich haben, ganz gleich, ob sie bäuerlichen oder handwerklichen Berufen entstammen, in nützliche Fabrikarbeiter zu verwandeln. Nachdem man sich eine Zeit lang bemüht hat, ihre lustlosen oder bockigen Angewohnheiten zu besiegen, verzichten sie entweder freiwillig auf ihren Arbeitsplatz oder werden von den Aufsichtspersonen wegen Unaufmerksamkeit entlassen ... [es ist] vonnöten, die aufsässigen Temperamente von Arbeitern zu unterjochen, die sich unregelmäßige Anfälle von Fleiß angewöhnt haben ... es liegt ausgesprochen im Interesse jedes Fabrikbesitzers, seine moralische Maschinerie auf gleichermaßen gesunde Prinzipien zu gründen wie seine mechanische, denn sonst wird er nie über die ruhigen Hände, die wachsamen Augen und die bereitwillige Zusammenarbeit verfügen, die für die hervorragende Qualität der Erzeugnisse unabdingbar sind ... es gibt in der Tat keinen Ort, auf den die Wahrheit des Evangeliums, »Gottesfurcht ist von großem Gewinn«, mehr zutrifft, als auf die Führung einer großen Fabrik.
Skrupellos wurde von den Kapitalisten Gott eingeschaltet, um auf die Gemüter der Massen Einfluss zu gewinnen. Entscheidend war, dass das neue, freudlose Kredo der Methodisten den werktätigen Armen am Sonntag in der Kirche gepredigt wurde. In der Kirche wurde ihnen der Gedanke
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