Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
Vom Netzwerk:
eingebläut, dass sie sündig waren, dass jeder Spaß ein Fehler war und dass stilles Dulden der Weg zum Heil auf dieser Erde ist. Gott wurde als eine Art Big Brother wiederaufgelegt, und sein Wille war es, dass man schwer arbeitete. Thompson schreibt: »Nicht nur der ›Tritt in den Hintern‹, sondern das Feuer der Hölle konnten die Folge einer Disziplinlosigkeit auf der Arbeitsstelle sein. Gott war der wachsamste Aufpasser von allen. Sogar über dem Kaminsims hing der Spruch »Du, Gott, siehst mich.«
    Der Begründer des Methodismus, John Wesley, hatte es besonders darauf abgesehen, kleine Kinder zu schrecken und zu kontrollieren. »Brecht ihren Willen beizeiten«, schrieb er. »Lasst einem Kind ab dem Alter von einem Jahr die Lehre zuteil werden, dass es die Rute zu fürchten und leise zu weinen hat; zwingt es von diesem Alter an zu tun, was ihm befohlen wird ...« Kinder wurden von den furchterregenden Bildern lodernder Höllenfeuer und den bösartigen Geistern bedrängt, die auf jeden Jagd machten, der unartig war. Diese Bilder wurden in die Fantasie des kleinen Kindes eingebrannt und sollten helfen, die verschüchterte, gehorsame Denkungsart des späteren Erwachsenen zu prägen.
    Eine gute Ersatzwaffe, falls Gottesfurcht nicht hinreichte, um die bäuerlichen Drohnen in städtische Arbeitsbienen zu verwandeln, war der Hunger. Ein anderer Unternehmensführungsphilosoph des neunzehnten Jahrhunderts, der Geistliche Andrew Townsend, argumentierte, die Anwendung reiner Macht des Gesetzes, um den Arbeitern die neue Arbeitsmoral aufzudrücken, »macht zu viel Mühe, erfordert zu viel Gewalt und macht zu großen Lärm«. Besser und einfacher sei es, meinte er, sie hungrig zu halten. »Hunger dagegen ist nicht nur ein Druck, der friedlich, still und unaufhörlich ist, sondern da er der natürlichste Beweggrund für Arbeit und Fleiß ist, reizt er auch zu den friedlichsten Anstrengungen.« Auch die Philosophie niedriger Löhne wurde begeistert befolgt: Je niedriger der Lohn, desto härter würde sich das Proletariat schinden. Nach derselben Philosophie verfährt man heute in der Fastfood-Industrie, in der die Produktion von Lebensmitteln auf die gleiche Weise industrialisiert und vereinfacht worden ist, wie im neunzehnten Jahrhundert die Tuchproduktion. Fastfood-Arbeiter erhalten die niedrigsten Löhne in den USA und verrichten den ganzen Tag dieselbe triste Tätigkeit. Wieder ist es das Dogma harter Arbeit – tief verwurzelt in den momentanen Vorstellungen, was es heißt, Amerikaner zu sein –, das uns am Schuften hält und gleichzeitig glücklich darüber sein lässt, dermaßen ausgebeutet zu werden.
    Um dieselbe Zeit im neunzehnten Jahrhundert richtete der mächtige Polemiker Thomas Carlyle großen Schaden an, indem er die Idee von der Würde, ja Romantik harter Arbeit in die Welt setzte. »Der Mensch wurde geschaffen, um zu arbeiten, nicht um zu spekulieren, Gefühle zu haben oder zu träumen«, schrieb er und setzte hinzu: »Jeder untätige Augenblick ist Verrat.« Es ist die patriotische Pflicht des Menschen, hart zu arbeiten – ein weiterer Mythos, der nur den Reichen dient, die, wie Bertrand Russell sagte, »die Würde der Arbeit predigen, während sie selbst darauf achten, in dieser Hinsicht würdelos zu bleiben«. Oder wie der vor einigen Jahren verstorbene große britische Schriftsteller Jeffrey Bernard es formulierte, als ich ein Interview mit ihm machte: »Als wenn etwas Romantisches oder Glamouröses an harter Arbeit wäre ... wenn etwas Romantisches daran wäre, würde der Herzog von Westminster seinen Scheiß-Garten selber umgraben, oder?«
    In der Tat wurde im frühen Mittelalter von der Gesellschaft auf die, die arbeiteten – die »laboratores« – verächtlich herabgeblickt. Oben an der Spitze standen die Untätigen – die Geistlichen und die Krieger. Krieger hielten es tatsächlich, wie Tacitus berichtet, für träge und geistlos, für etwas zu arbeiten, wenn sie es durch Blut bekommen konnten. Und zwischen den Feldzügen verbrachten sie ihre Zeit mit Essen, Trinken, Schlafen und Huren.
    Unwissen war natürlich eine weitere Waffe im Arsenal der Kapitalisten. Es war wichtig, die arbeitenden Klassen in ihrem Zustand der Dummheit zu halten, damit sie gar nicht erst begriffen, wie gemein sie ausgebeutet wurden. »Benutze deine Sinne oft und deinen Kopf wenig«, schrieb Carlyles Schüler James Froude. »Denke wenig und lese noch weniger.«
    Angesichts dieser gefährlichen Attacke erstaunt es nicht,

Weitere Kostenlose Bücher