Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
Anschließend kam er zurück und wischte mit dem feuchten Tuch kräftig ihre Unterlippe ab.
Sie hätte ihn jetzt beißen können. Sie tat es aber nicht.
Er rückte den Stuhl vor ihr zurecht und sagte: »Stell dir vor, hier auf diesem Stuhl sitzt Ines Küppers. Jetzt gebe ich dir die einmalige Chance, dich bei ihr zu entschuldigen. Gibt es etwas, das du ihr sagen willst?«
Er machte eine einladende Geste in Richtung Stuhl und deutete sogar eine Verbeugung an vor der Person, die in seiner Vorstellung dort Platz genommen hatte.
So verrückt es vielleicht war, Michaela Warfsmann konnte die Anwesenheit von Ines Küppers praktisch spüren. Da war eine schier unglaubliche Präsenz. Sie ging von diesem Stuhl aus und verschlug Michaela Warfsmann fast den Atem.
Weller wollte etwas Gutes für sich und Ann Kathrin kochen, etwas, das nicht nur wohltuend für den Magen war, sondern auch für die Seele.
Sie hatten mal eine italienische Suppe bei Angela und Holger Bloem gegessen, angeblich ein Rezept von Angelas Mutter. Das Essen hatte auf Ann Kathrins Gesicht ein sehr zufriedenes Strahlen gezaubert.
Weller versuchte, diese Suppe nachzukochen. Er hatte gerade mit Angela über die Geheimnisse der Gewürze gesprochen. Um den Geschmack seiner Suppe ein bisschen von Angelas abzugrenzen, gab er noch eine Prise Harissa hinzu.
Weller schaltete die Dunstabzugshaube nicht ein. Er wollte, dass sich der Duft von der Küche aus im ganzen Haus verbreiten konnte. Damit lockte er Ann Kathrin vom Buchregal weg. Sie sortierte gerade ihre Sigrid-Zeevaert-Sammlung neu.
Max, mein Bruder
fehlte, und sie fragte sich, ob sie das Buch verliehen hatte. Oder sollte Weller, der eingeschworene Krimileser, etwa heimlich Kinder- und Jugendbücher für sich entdeckt haben?
Ein paar ihrer Lieblingsbücher waren verschwunden.
Level 4
von Andreas Schlüter suchte sie genauso wie Achim Brögers
Mein 24 . Dezember.
Es kam ihr komisch vor. Da waren noch mehr Lücken in ihrer Sammlung.
Der Seehund in ihrem Handy heulte auf. Sie kannte die Nummer auf dem Display nicht. Sie wollte eigentlich nicht drangehen. Sie hatte sich fest vorgenommen, dieser Abend sollte ihnen beiden alleine gehören. Aber sie war ein Telefonjunkie. Sie hielt es höchstens bis zum dritten Seehundheulen aus, dann musste sie ran.
Nadja Jansen meldete sich mit piepsiger Stimme. »Ich habe sie gefunden!«
Ann Kathrin hatte zuerst keine Ahnung, wer überhaupt am Apparat war, geschweige denn, worum es ging.
»Schön für Sie. Was haben Sie denn gefunden, und wer sind Sie?«
Ann Kathrin war mit dem Handy in die Küche gegangen. Sie stand jetzt nah bei Weller und sah in den Topf. Er probierte von der Suppe und hielt ihr dann den Löffel hin. Sie hätte nur zu gern genascht, winkte aber ab, weil sie das Handy am Ohr hatte und nicht laut schlürfen wollte.
Weller hörte beim Kochen die
Fabelhaften Drei
. Er stellte jetzt den Song
Drei Chinesen mit dem Kontrabass
leiser.
»Nadja Jansen«, wiederholte Ann Kathrin laut, damit Weller wusste, wer dran war. Dann bat sie ihn gestisch um einen Stift, und er besorgte ihn ihr.
Sie setzte sich an den liebevoll gedeckten Tisch mit Kerzen, Sekt und kunstvoll gefalteten Servietten. Auf eine davon schrieb sie: NOR .
»Er hat also schon das neue Kennzeichen von Norden?«
»Ja, und dann BK - 767 . Ich hatte den Zettel zwischen alten Liebesbriefen verloren … Ach, ist ja auch egal und geht Sie im Grunde nichts an. Aber das ist jedenfalls das Nummernschild von dem Typen, der Christoph beobachtet hat.«
Ann Kathrin bedankte sich und beendete das Gespräch rasch, aber nicht extra, um, wie Weller hoffte, mit ihm Suppe zu essen, sondern sie lief hoch in ihr Arbeitszimmer zum PC , um den Halter des Fahrzeugs zu ermitteln. Es war ein Kinderspiel. Die Besitzerin wohnte nicht weit entfernt von der Ubbo-Emmius-Klinik in der Osterstraße und hieß Kim Riedel.
Als Ann Kathrin zu Weller zurückkam, hatte er bereits mit dem Essen begonnen und auch schon ein Schlückchen Sekt getrunken. Immerhin, sie ist vor dem Dessert wieder da, dachte er, sagte aber nur: »Darf ich dir auch etwas von der Suppe servieren, oder musst du gleich wieder weg?«
Mit unschuldigem Lächeln, als hätte er es ernsthaft vorgeschlagen, sagte sie: »Meinst du, wir sollten schnell mal hin? Es ist nicht weit. In der Osterstraße …«
»Nein, meine ich nicht. Willbrandt ist tot, und er wird nicht wieder lebendig, wenn du dein Essen kalt werden lässt. Das alles hat Zeit bis morgen.«
Sie
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