Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
zu Michaela runter und streichelte ihr Gesicht.
»Du machst dir jetzt Sorgen um deine Ma? Was wird sie von dir denken, wenn sie hört, dass du sie verraten hast? Du hättest dir besser vorher Gedanken darum gemacht. Aber weil du zu feige warst, den Konflikt mit deiner Mutter auszutragen, musste Ines leiden …«
Sie nickte und weinte, denn auf eine verrückte Art hatte er ja recht.
»Jetzt ist es zu spät«, sagte er. »Viel zu spät. Die Dinge sind gelaufen, wie sie gelaufen sind. Du kannst das nicht wiedergutmachen. Aber du kannst dafür bezahlen. Ich glaube zwar nicht, dass du da, wo du jetzt hingehst, auf Ines treffen wirst, denn auf dich wartet ohne Frage die Hölle oder zumindest das Fegefeuer, wohingegen Ines im Himmel sein wird. Falls es überhaupt einen Himmel gibt. Nun, du wirst bald wissen, was nach dem Tod auf uns wartet. Das Nichts oder ein großes Strafgericht.«
Sie zitterte am ganzen Körper, und ihre Zähne klapperten aufeinander. Sie konnte nichts dagegen tun.
Er holte den Klebstoff, um ihre Lippen zusammenzukleben. Sie wehrte sich nicht mehr, und er flüsterte ihr ins Ohr: »Ich muss noch einmal kurz weg. Nutz die Zeit für ein Gebet oder was man sonst so tut, bevor man stirbt. Ich würde dir ja gerne eine Henkersmahlzeit anbieten, aber du kriegst ja leider die Lippen nicht mehr auseinander. Schade. Dumm gelaufen. Bessere dich. Vielleicht bekommst du im nächsten Leben eine neue Chance. Oder glaubst du nicht an so etwas?«
Kim Riedel öffnete im Bademantel. Sie hatte ein ziemlich kantiges Gesicht und roch wie eine frisch geschälte Mangofrucht. Um ihre nassen Haare hatte sie ein Handtuch gewickelt.
Sie strahlte die beiden an, als hätte sie sie sehnsüchtig erwartet und sei nur noch nicht ganz fertig zurechtgemacht.
»Mein Name ist Ann Kathrin Klaasen, und das ist mein Kollege Frank Weller. Wir sind von der Kriminalpolizei und ermitteln im Mordfall Willbrandt.«
Kim Riedels Gesicht versteinerte. »Willbrandt?«, fragte sie, und es war allen Anwesenden sofort klar, dass sie genau wusste, worum es ging.
Sie sah sich die Dienstausweise, die Ann Kathrin und Weller ihr hinhielten, nicht an, sondern bat die beiden herein.
»Sie haben Herrn Willbrandt beobachtet und fotografiert«, stellte Ann Kathrin fest und rechnete mit Protest, aber Kim Riedel ging zunächst auf das Laufband zu, das den Raum dominierte, bog dann aber zum Sofa ab. Sie deutete auf die beiden Sessel: »Ja, Sie haben recht. Wollen Sie die Bilder sehen? Setzen Sie sich doch.«
»Warum haben Sie das getan?«, wollte Ann Kathrin wissen.
Kim Riedel lachte: »Das ist mein Job. Ich arbeite – freiberuflich – für die Detektei Hansen in Oldenburg. Ich habe Christoph Willbrandt an vier Tagen in der Woche observiert. Nichts Illegales. Alles ganz im Rahmen der Gesetze. Ich habe … ich kann gleich nachgucken, wenn Sie es genau wissen wollen … gut dreißig Stunden abgerechnet.«
Weller und Ann Kathrin sahen sich an. Die beiden setzten sich nicht. Weller übernahm, und Ann Kathrin ging zum Buchregal, um sich anzuschauen, was Kim Riedel so las. Im Buchregal standen allerdings gar keine Bücher, sondern nur Filme. Ann Kathrin schätzte gut vierhundert DVD s. Actionfilme, Karatefilme, Bollywood und eine Sammlung Horrorfilme. Nicht gerade typisch für eine junge Frau, fand Ann Kathrin.
»Wer hat Ihnen den Auftrag erteilt?«, fragte Weller.
»Na, sagte ich doch: die Agentur Hansen.«
»Aber wer zahlt dafür, dass Sie …«
Sie zog den Bademantel fester um sich und setzte sich halb auf. »Keine Ahnung. Interessiert mich auch nicht. Das macht alles die Agentur. Ich observiere nur … Eigentlich bin ich Schauspielerin und Kampfsporttrainerin. Ich habe auch gemodelt, aber …«
»Darf ich die Bilder mal sehen und Ihren Bericht? Sie haben doch einen Bericht geschrieben, oder?«, fragte Weller, und Ann Kathrin warf ihm einen tadelnden Blick zu, weil er Kim Riedel nicht ausreden ließ.
Ann Kathrin ging davon aus, dass man für gute Vernehmungen vor allen Dingen Zeit brauchte. Sehr viel Zeit. Und offene Ohren.
Zuhören können! Darum ging es, um nicht mit einer Fülle von Fragen die Antworten zuzuschütten. Das waren ihre Lehrsätze. Das heißt, wie er inzwischen wusste, stammten diese Erkenntnisse eigentlich nicht von ihr, sondern von ihrem Vater.
Kim Riedel stand vom Sofa auf. So hätte Weller das beschrieben. Für Ann Kathrin erhob sie sich wie ein Starmodel. Ihr Gang, um den Laptop zu holen, hätte besser zu einem
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