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Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Titel: Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendare Blake
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die Buffy der Vampirjägerin nacheifern.
    »Theseus!«
    Verdammt, ich habe vergessen, Carmel zu sagen, dass sie mich Cas nennen soll. Es fehlte gerade noch, dass mich alle hier »Theseus« nennen. Ich gehe zu ihrem Tisch und beobachte, wie ringsherum die Augen größer werden. Mindestens zehn andere Mädchen verknallen sich auf der Stelle in mich, weil sie sehen, dass Carmel mich mag. Das sagt mir jedenfalls mein Soziologenhirn.
    »Hallo, Carmel.«
    »Hallo. Und, wie findest du das SWC?«
    Ich nehme mir vor, niemals »SWC« zu sagen.
    »Nicht übel, nicht zuletzt dank deiner Führung heute Morgen. Übrigens nennen mich die meisten Leute einfach nur Cas.«
    »Cats?«
    »Nur mit weichem ›s‹. Was gibt es hier zu essen?«
    »Normalerweise holen wir uns was vom Pizza-Hut-Stand da drüben.« Sie nickt kurz in die entsprechende Richtung, und ich drehe mich um. »Also, Cas, warum bist du nach Thunder Bay gezogen?«
    »Wegen der Landschaft«, sage ich lächelnd. »Ehrlich, du würdest es mir nicht glauben, wenn ich es dir erzähle.«
    »Versuch’s doch mal.« Wieder fällt mir auf, dass
Carmel Jones genau weiß, wie sie das bekommt, was sie will. Andererseits hat sie mir die Gelegenheit gegeben, völlig offen zu sprechen. Beinahe kommt es mir über die Lippen: Anna. Ich bin wegen Anna hier. In diesem Augenblick marschiert hinter uns die verdammte Trojanerarmee auf. Sie tragen T-Shirts der Ringermannschaft der Schule.
    »Carmel«, sagt einer von ihnen. Ich muss nicht einmal hinsehen, um zu erkennen, dass er Carmels Freund ist oder es bis vor Kurzem noch war. Seine Stimme klingt etwas belegt. Carmel reckt das Kinn und zieht die Augenbrauen hoch. Die Reaktion verrät mir, dass er wohl eher der Exfreund ist.
    »Kommst du heute Abend mit?«, fragt er, wobei er mich völlig ignoriert. Amüsiert beobachte ich ihn. An Tisch Vier sehen Sie heute Abend eine Sondervorführung in Sachen Besitzansprüche.
    »Was ist denn heute Abend?«, frage ich.
    »Heute ist die alljährliche ›Ende der Welt‹-Party.« Carmel verdreht die Augen zur Decke. »Das machen wir schon seit einer Ewigkeit jedes Jahr am ersten Schultag.«
    Na ja, seit einer Ewigkeit oder zumindest seit dem Film Die Regeln des Spiels .
    »Klingt cool«, sage ich. Da ich den Neandertaler hinter mir nicht länger übersehen kann, strecke ich die Hand aus und stelle mich vor.
    Nur der allergrößte Arsch würde sich in so einer Situation weigern, mir die Hand zu geben. Aber offensichtlich bin ich soeben dem allergrößten Arsch begegnet.
Er nickt mir zu. »Hallo.« Seinen Namen nennt er nicht, daher springt Carmel für ihn ein.
    »Das ist Mike Andover.« Sie deutet auf die anderen. »Chase Putnam, Simon Parry und Will Rosenberg.«
    Sie nicken mir zu und entpuppen sich dabei ebenfalls als große Ärsche. Nur Will Rosenberg gibt mir die Hand. Er ist der Einzige, der kein Vollpfosten zu sein scheint. Die Teambuchstaben hängen schlabberig an ihm herunter, und er hat die Schultern eingezogen, als sei es ihm peinlich. Oder als sei ihm die gegenwärtige Gesellschaft peinlich.
    »Was ist jetzt, kommst du?«
    »Weiß nicht«, antwortet Carmel. Es klingt genervt. »Mal sehen.«
    »Wir sind um zehn am Wasserfall«, verkündet er. »Sag mir Bescheid, wenn du eine Mitfahrgelegenheit brauchst.«
    Als er geht, seufzt Carmel.
    Ich heuchle Interesse. »Was haben die da gesagt? Ein Wasserfall?«
    »Die Party findet am Kakabeka-Wasserfall statt. Wir suchen uns jedes Jahr eine andere Stelle, um Ruhe vor den Cops zu haben. Letztes Jahr waren wir am Trowbridge-Wasserfall, aber da sind alle ausgeflippt, als …« Sie unterbricht sich.
    »Als was?«
    »Nichts. Bloß ein paar alte Gespenstergeschichten.«
    Sollte ich wirklich so großes Glück haben? Normalerweise dauert es mindestens eine Woche, bis ich in die Gruselgeschichten eingeweiht werde. Es ist ja auch
nicht unbedingt ein Thema, das man gleich als Erstes auf den Tisch bringt.
    »Ich liebe Gespenstergeschichten. Wirklich, ich stehe total auf gute Gespenstergeschichten.« Ich rutsche herum, bis ich ihr genau gegenübersitze, stütze mich auf die Ellenbogen und beuge mich vor. »Außerdem brauche ich jemanden, der mir das Nachtleben von Thunder Bay zeigt.«
    Sie erwidert meinen Blick. »Wir können mit meinem Auto fahren. Wo wohnst du?«
     
    Jemand beschattet mich. Das Gefühl ist so stark, dass meine Augen am liebsten nach hinten wandern würden, um die Haare zu teilen und zum Hinterkopf hinauszuschauen. Ich bin zu stolz, um mich

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