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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Gott, was habe ich getan, Dolly! Um Gottes willen! Ich habe ja ...« Er konnte nicht weiterreden; ein
    Schluchzen verschloß ihm die Kehle.
    Sie schloß die Schranktür und blickte ihn an.
    »Dolly, was kann ich sagen? Nur das eine: Verzeih mir! Denke zurück; können denn nicht neun Jahre des
    Zusammenlebens einige wenige Augenblicke aufwiegen, in denen ...«
    Sie hatte die Augen auf den Boden gerichtet und hörte ihm zu, als warte sie, was er wohl sagen werde, als flehe
    sie ihn an, sie irgendwie von seiner Schuldlosigkeit zu überzeugen.
    »... einige wenige Augenblicke, in denen ich mich hinreißen ließ ...«, fuhr er fort und wollte weitersprechen;
    aber bei diesen Worten preßten sich ihre Lippen wieder wie infolge eines körperlichen Schmerzes zusammen, und
    wieder zuckten die Muskeln ihrer rechten Wange.
    »Gehen Sie weg, gehen Sie weg von hier!« schrie sie noch durchdringender. »Und sprechen Sie zu mir nicht davon,
    daß Sie sich hätten hinreißen lassen, und nicht von dem, was Sie Schändliches getan haben!«
    Sie wollte hinausgehen; aber sie wankte und faßte nach einer Stuhllehne, um sich zu stützen. Sein Gesicht zog
    sich in die Breite, seine Lippen wurden dicker, und die Tränen strömten ihm aus den Augen.
    »Dolly!« sagte er schluchzend. »Um Gottes willen, denke an die Kinder; sie tragen ja keine Schuld. Ich bin der
    Schuldige; strafe mich, laß mich meine Schuld büßen. Womit ich sie nur zu büßen vermag, ich bin zu allem bereit!
    Ich habe gefehlt, und es ist gar nicht mit Worten zu sagen, wie schwer ich gefehlt habe! Aber dennoch, Dolly,
    verzeihe mir!«
    Sie setzte sich hin. Er hörte ihr schweres, lautes Atmen und empfand ein unsägliches Mitleid mit ihr. Sie setzte
    mehrere Male an, etwas zu sagen, war aber dazu nicht imstande. Er wartete.
    »Du denkst an die Kinder nur, um mit ihnen zu spielen; wenn ich aber an sie denke, so weiß ich dabei, daß sie
    jetzt zugrunde gehen müssen«, sagte sie; es war dies offenbar eine der Redewendungen, die sie sich im Laufe dieser
    drei Tage immer wieder vorgesprochen hatte.
    Sie hatte du zu ihm gesagt, und darum blickte er sie voll Dankbarkeit an und machte eine Bewegung, um ihre Hand
    zu ergreifen; aber sie wich mit Abscheu vor ihm zurück.
    »Ich denke an die Kinder, und deshalb würde ich alles tun, was menschenmöglich ist, um sie zu retten; aber ich
    weiß selbst nicht, wodurch ich sie retten kann: ob dadurch, daß ich sie von ihrem Vater wegnehme, oder dadurch, daß
    ich sie bei ihrem liederlichen Vater lasse, – jawohl, bei ihrem liederlichen Vater. Nun, sagen Sie selbst, ist es
    denn nach allem, was geschehen ist, überhaupt noch möglich, daß wir weiter miteinander leben? Ist das überhaupt
    noch möglich?« fragte sie noch einmal mit erhobener Stimme. »Nachdem mein Mann, der Vater meiner Kinder, sich in
    eine Liebschaft mit der Erzieherin seiner eigenen Kinder eingelassen hat ...«
    »Aber was ist nun zu machen? Was ist nun zu machen?« fragte er in kläglichem Ton; er wußte selbst nicht recht,
    was er sagte, und ließ den Kopf immer tiefer und tiefer herabsinken.
    »Sie sind mir widerwärtig und ekelhaft!« schrie sie, immer mehr in Hitze geratend. »Ihre Tränen sind weiter
    nichts als Wasser! Sie haben mich nie geliebt; Sie besitzen weder ein Herz noch eine vornehme Gesinnung! Sie sind
    mir verhaßt und ekelhaft; Sie sind mir ein Fremder, ja, ein ganz Fremder!« Mit bitterem Schmerze und tiefem Ingrimm
    sprach sie dieses Wort ›ein Fremder‹ aus, das ihr selbst schrecklich erschien.
    Er blickte sie an, und der Ingrimm, der auf ihrem Gesichte zum Ausdruck kam, versetzte ihn in Schrecken und
    Staunen. Er begriff nicht, daß gerade sein Mitleid mit ihr sie reizte. Sie bemerkte bei ihm nur ein Gefühl des
    Bedauerns für sie, aber keine Liebe. ›Nein, sie haßt mich; sie wird mir nicht verzeihen‹, dachte er.
    »Das ist furchtbar, ganz furchtbar!« sprach er vor sich hin.
    In diesem Augenblick fing im Nebenzimmer eines der Kinder, das wahrscheinlich hingefallen war, an zu schreien.
    Darja Alexandrowna horchte auf, und ihre Miene wurde plötzlich milder.
    Es schien, als sammle sie einige Sekunden lang ihre Gedanken, wie wenn sie nicht recht wüßte, wo sie sich
    befinde und was sie zu tun habe. Dann stand sie schnell auf und ging zur Tür hin.
    ›Also liebt sie doch mein Kind‹, dachte er, da er die Veränderung ihres Gesichtes beim Schreien des Kindes
    bemerkt hatte. ›Sie liebt mein Kind; wie kann sie dann mich

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