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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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aus einem mit Reisig besteckten Walle, hinter dem sich noch ein dem Pferde nicht sichtbarer Graben befand, so daß das Pferd entweder beide Hindernisse überspringen oder stürzen und sich schwer beschädigen mußte; dann noch zwei nasse Gräben und ein trockener. Das Ende der Bahn war der Tribüne gegenüber. Aber das Rennen begann nicht auf der Bahn selbst, sondern ungefähr zweihundert Meter seitwärts davon, und auf dieser Strecke befand sich das erste Hindernis: das aufgestaute Flüßchen in einer Breite von etwas mehr als zwei Metern; dieses konnten die Reiter nach ihrem Belieben entweder überspringen oder in einer Furt durchreiten.
     
    Dreimal stellten sich die Reiter in gerader Linie auf; aber jedesmal brach das eine oder das andere Pferd vorzeitig vor, und alle mußten wieder zum Ausgangspunkte zurückreiten. Der Oberst Sestrin, ein erfahrener Starter, war schon ganz ärgerlich geworden, als er endlich zum vierten Male »Los!« rief und die Reiter sich ordnungsmäßig in Bewegung setzten.
     
    Alle Augen, alle Operngläser waren auf das bunte Häuflein der Reiter gerichtet, als diese sich in Linie aufstellten.
     
    »Sie sind gestartet! Sie laufen!« erscholl es nun nach der erwartungsvollen Stille von allen Seiten.
     
    Gruppen von Fußgängern, auch einzelne, begannen von einer Stelle zur anderen zu laufen, um besser sehen zu können. Gleich im ersten Augenblick zog sich die geschlossene Reiterschar auseinander, und man konnte sehen, wie sie zu zweien, zu dreien, auch einer hinter dem anderen sich dem Flüßchen näherten. Die Zuschauer hatten den Eindruck gehabt, daß sie alle zugleich davongaloppiert waren; die Reiter aber waren sich des Sekunden betragenden Zeitunterschiedes bewußt, der für sie große Wichtigkeit hatte.
     
    Die aufgeregte und gar zu nervöse Frou-Frou hatte den ersten Augenblick verpaßt, und mehrere Pferde hatten gleich vom Start an einen Vorsprung vor ihr; aber noch ehe sie das Flüßchen erreicht hatten, überholte Wronski, der mit aller Kraft das sich in die Zügel legende Pferd zurückhielt, mit Leichtigkeit drei seiner Vordermänner, und vor ihm blieb nur noch Machotins Fuchs Gladiator übrig, dessen Hinterteil unmittelbar vor Wronski leicht und gleichmäßig auf und nieder ging, und dann allen voraus die entzückende Diana, die den halb lebenden, halb toten Kusowlew trug.
     
    In den ersten Augenblicken hatte Wronski weder sich noch sein Pferd in seiner Gewalt. Bis zum ersten Hindernisse, dem Flüßchen, war er nicht imstande, die Bewegungen seines Pferdes zu bestimmen.
     
    Gladiator und Diana kamen zusammen dort an; fast im gleichen Augenblick richteten sie sich an dem Flüßchen auf und flogen nach der anderen Seite hinüber; sanft und unmerklich, als wenn sie flöge, schwang sich hinter ihnen Frou-Frou in die Höhe; aber in demselben Augenblicke, da Wronski sich in der Luft fühlte, erblickte er plötzlich, fast unter den Füßen Frou-Frous, Kusowlew, der sich mit seiner Diana am anderen Ufer des Flüßchens auf dem Boden wälzte. Kusowlew hatte nach dem Sprunge die Zügel fahren lassen, und das Pferd hatte sich mit ihm überschlagen. Diese Einzelheiten erfuhr Wronski erst später; jetzt sah er nur, daß gerade unter Frou-Frous Füße, da, wo sie hintreten mußte, ein Bein oder der Kopf von Diana zu liegen kommen mußte. Aber Frou-Frou machte wie eine fallende Katze während des Sprunges eine kräftige Bewegung mit den Beinen und dem Rücken, wodurch sie einen Zusammenstoß mit dem anderen Pferde vermied, und jagte weiter.
     
    ›O du mein liebes Tierchen!‹ dachte Wronski.
     
    Hinter dem Flüßchen hatte Wronski sein Pferd völlig in der Gewalt und begann es zurückzuhalten, da er beabsichtigte, die große Hürde erst nach Machotin zu nehmen und erst auf der folgenden, hindernisfreien Strecke von etwa vierhundert Metern zu versuchen, ob er ihn nicht überholen könne.
     
    Die große Hürde stand unmittelbar vor der kaiserlichen Loge. Der Kaiser, der ganze Hof und die Volksmenge blickten nach ihnen, nach ihm und dem eine Pferdelänge vor ihm dahinjagenden Machotin, als sie sich dem Teufel (so wurde die feste Hürde genannt) näherten. Wronski fühlte diese Blicke, die sich von allen Seiten auf ihn richteten, aber er sah nichts als die Ohren und den Hals seines Pferdes und den Erdboden, der ihm scheinbar entgegengelaufen kam, und die Kruppe und die weißen Füße Gladiators, die schnell und taktmäßig vor ihm auf und nieder gingen und immer in derselben Entfernung

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